© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/02 04. Oktober 2002


Vereint in Mittelmäßigkeit
von Matthias Bäkermann

Am 3. Oktober finden nach zwölf Jahren das zweite Mal die zentralen Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit in Berlin statt. Durch die Enthüllung des Brandenburger Tores wird diesem "Event" neben den üblichen Kleinkunst-Bürgerfest-Belanglosigkeiten vielleicht im entferntesten so etwas wie Symbolkraft zufallen - der "deutsche 4. Juli" wird jedoch kaum zum Tag patriotischer Gefühle oder gar nationaler Bekenntnisse wie sein transatlantisches Pendant werden.

Doch kaum jemand im "einig Vaterland" wird Gleichartiges vermissen. Das deutsche Volk ist sich in seiner Einschätzung als "Bevölkerung einer Wirtschafts- und Sozialgemeinschaft" in den vergangenen zwölf Jahren nähergekommen, im Prinzip ist darin die Einheit vollendet. Sicher gibt es Unterschiede in der Quote der Arbeitslosigkeit zwischen den Regionen der ehemaligen zwei deutschen Staaten, doch diese gibt es auch im Nord-Süd-Gefälle der Bundesrepublik. Die Haushalte der Kommunen und Länder sind gleichermaßen überall am Ende, trostlos ist es sowohl in der vorpommerschen als auch in der emsländischen Provinz und selbst im Wahlverhalten ist die ehemalige DDR zur Kopie der alten BRD geraten - im Süden schwarz, im Norden rot.

Kulturell hat das vereinigte Deutschland seine prognostizierte Mittlerrolle im Herzen Europas mit besonderer Strahlkraft auf Osteuropa nicht einnehmen können. Nicht einmal mehr der D-Mark blieb diese Rolle vorbehalten. Was bleibt, ist der letzte Rest wirtschaftlicher Behaglichkeit im Milieu der Mittelmäßigkeit - dieses dafür "einheitlich".


 
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