© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/02 04. Oktober 2002

 
Immer neuer Ärger mit Martin
Ankündigung einer Debatte: Der Schriftsteller Walser reflektiert den Medienrummel um seinen Roman "Tod eines Kritikers"
Thorsten Thaler

Wer in den letzten Tagen und Wochen vor der Frankfurter Buchmesse (9. bis 13. Oktober) mit Menschen gesprochen hat, die an Literatur interessiert sind, mußte sich häufig deren Klagen über einen furchtbar langweiligen Bücherherbst anhören. Die interessantesten Titel aus der Sparte Belletristik seien alle schon erschienen, von Walsers "Tod eines Kritikers" bis zu Franzens "Korrekturen", und auch die Verlagsprospekte enthielten keine verheißungsvollen Ankündigungen von Neuerscheinungen mehr, auf die man freudig und gespannt warten müßte.

In diese trostlose Lagebeschreibung platzte Anfang dieser Woche die Nachricht, Martin Walser habe eine "Fortsetzung" seines Romans "Tod eines Kritikers" geschrieben. Der sechzig Seiten umfassende Text reflektiere den Medienrummel um das Buch, nachdem Frank Schirrmacher es Ende Mai unter grobschlächtigen Verunglimpfungen ("Dokument des Hasses", "Repertoire antisemitischer Klischees") abgelehnt hatte, den Roman vorab in der FAZ zu drucken.

Wo dieser neue Walser-Text erscheint, ist noch ungewiß. Der Verlagsleiter von Suhrkamp, dem Stammhaus von Walser, hat eine Veröffentlichung bereits abgelehnt. "Wir hatten genug Ärger, ich brauche keine Nachdebatte", wird Günter Berg zitiert. Daß es in jedem Fall zu einer Neuauflage der Debatte kommen wird, wenn Walser seinen Text veröffentlicht, ist indes so sicher wie das Amen in der Kirche. Der Erkenntnisgewinn dürfte sich zwar in engen Grenzen halten, immerhin aber kann sich der ambitionierte Literaturfreund damit ein wenig die Wartezeit bis zur nächsten interessanten Neuerscheinung verkürzen.


 
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