© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/02 11. Oktober 2002

 
PRO&CONTRA
Brauchen wir einen Bundeskulturminister?
Siegmar Faust / Eckhard Henscheid

Nun hat Rot-Grün eine Kulturministerin im Kabinett geplant. Das halte ich für einen schlauen Schachzug, der aber im Grunde genommen mit der Richtung der Regierung nicht übereinstimmt - es sei denn, sie wollten den kulturellen Verfall noch weiter fördern.

Kultur ist eines der wenigen Dinge, die unser Land zur Zeit noch zu bieten hat. Ein Faktor, der kommerziell (viele Arbeitsplätze sind im Kulturbereich angesiedelt) nicht mehr wegzudenken ist und benötigt wird. Es geht aber auch um die Wertediskussion, die von Friedrich Merz zwar angestoßen, jedoch etwas feige von der Union wieder zurückgezogen wurde. Diese Werte, gerade gegenüber Ausländern, die aus fremden Kulturen kommen, gilt es, vor dem Untergang zu bewahren. Es sieht leider danach aus, daß die deutsche Kultur untergeht. Ein Minister, der sich mit dem Erhalt der Kultur beschäftigt, wäre von großer Bedeutung, müßte in die Offensive gehen, der Jugend erklären, daß es auch eine andere deutsche Kultur gab, als die während der Nazizeit. Man denke nur an die Werte der jüdischen Kultur in Deutschland. Diese positiven Elemente gilt es zu bewahren, wiederzuentdecken und im Wertekonsens denen gegenüberzustellen, die sich hier integrieren wollen und der Jugend, die leider immer mehr kulturell entwurzelt wird.

Deshalb ist es als positiv zu bezeichnen, daß ein solches Ministeramt einen gebührenden Platz erhalten soll. Scheinbar von der falschen Regierung eingesetzt, ist es ungemein wichtig. Es besteht jedoch die Gefahr, daß die rot-grüne Regierung das nicht in dem Sinne meint, wie wir es verstehen, wenn wir von Kultur sprechen. Es nur den Ländern zu überlassen - siehe Pisa-Studie -, das funktioniert nicht.

Selbst Europa konnte von der deutschen Kultur profitieren - warum sollte sich ein deutscher Kulturminister nicht mit der Kultur des deutschen Volkes befassen, sie fördern und festigen, gerade nach den zwei Diktaturen, die Deutschland heimsuchten.

 

Siegmar Faust ist Schriftsteller.

 

 

Christina Weiss war und ist zweifellos unter vielen Konkurrierenden die Weltmeisterin des Dummgeschwätzes im Rahmen des seit zwanzig, dreißig Jahren waltenden allgemeinen Betroffenheitsjargons. In meinem Büchlein "756 Kulturen" vom Jahr 2001 führte in dieser tabellarischen Aufstellung und Kommentierung lange Zeit im paritätisch gemischten Männer/Frauen- Fach die inzwischen etwas vergessene Grüne Gunda Röstel mit kostenlosen Kulturkomposita wie "Sich-Einbringenskultur" oder "Mißtrauenskultur" - im letzten Moment meiner Sammlung zog dann die mir schon als Literaturhausleiterin in Hamburg ungut auffällig gewordene Christina Weiss als Quatschworterfinderin an Röstel vorbei mit Kalibern wie "Vergügungskultur", "Kultur der Beziehungen", "Bewirtungskultur", "Reklamekultur", "Verkaufskultur", "Kultur des kleinen Verkaufs", aber auch mit Bildungen wie "Kultur des Staates zum Bürger". Zum Teil zitierte Weiss da aus ihrer Schrift von 1999 "Stadt ist Bühne" den wohl wesensverwandten und äquivalenten Kulturschwerschmarrkopf Vaclav Havel, von dem sie einige dieser Begriffe zustimmend entlehnte. Man kann also sagen, daß sie mit dem Amt der Kulturministerin ihre Erfüllung gefunden hat und umgekehrt. Das solche Schleimfabrikanten/fabrikantinnen bei Schröder neuerdings Karriere machen, überrascht etwas, andererseits aber auch kaum. Denn auch vormalige Studien- und Sammeltätigkeiten im Bereich dessen, was ich selber seit 1985 in einem Büchlein "Dummdeutsch" genannt habe, hier speziell in der Version des neudeutschen Betroffenheitsdeutsch, findet sich summa summarum tatsächlich weniger in konservativen und rechten Gruppierungen, sondern ganz eindeutig mehr bei den Grünen und auch den Sozialdemokraten, deren zweitoberster, Wolfgang Thierse, einst die Worterfindung der "Entfeindungskultur" tätigte. Einen Brummer, den so schnell nicht einmal Christina Weiss übertreffen dürfte. Die "Kultur des Staates zum Bürger", wie man sich die wohl optisch-kinetisch-energetisch vorstellen muß?

 

Eckhard Henscheid ist Schriftsteller und Satiriker.


 
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