© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/02 11. Oktober 2002

 
Sprachrohr der Relikte von St. Germain und Trianon
Das Felix-Ermarcora-Institut widmet sich den Völkern im ehemaligen k.u.k-Reich und ihrem durch Vertreibungen geprägten Schicksalen
Ekkehard Schultz

Im November 1998 wurde vom Verband der volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs (VLÖ) das Felix Ermacora Institut gegründet. Ziel des Institutes ist es, Forschung und Aufklärung über die Geschichte der Völker der ehemaligen Donaumonarchie zu betreiben und zu fördern. Obwohl die Vertreibung der deutschen Bevölkerung nach 1945 dabei ein zentrales Thema darstellt, sind die Aufgaben des Felix Ermacora Instituts erheblich umfangreicher. So soll die Forschung über das jahrhundertelange Zusammenleben der Nationalitäten im Raum der ehemaligen Donaumonarchie ebenso gefördert werden, wie die Darstellung des großen kulturellen Erbes der Deutschen in Südosteuropa. Zudem soll den noch verbliebenen deutschen Minderheiten Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die juristischen Fragen der Vertreibung werden anhand der Erkenntnisse des im 1995 verstorbenen Völkerrechtlers und Namengebers Ermacora untersucht.

Natürlich lassen sich diese Aufgaben nur dann in sinnvoller Art und Weise verwirklichen, wenn die politischen Kräfte gebündelt werden: So entstand ein Gemeinschaftsprojekt aus Vertretern aller im VLÖ beheimateten Landsmannschaften, in dessen Gremium alle aktuellen Forschungsgegenstände der Landsmannschaften eingebracht werden können. So sind Vergleiche zwischen unterschiedlichen Minderheiten möglich. Eine wesentliche Aufgabe des Instituts besteht daher auch im Aufbrechen enger landsmannschaftlicher Grenzen, was wiederum eine bessere und kompaktere Öffentlichkeitsarbeit ermöglicht. Diese erfolgt im Rahmen des Instituts vorzugsweise durch regelmäßige Fachtagungen, Vorträge und Symposien sowie durch eine Schriftenreihe, deren Band aus dem vergangenen Jahr mittlerweile mit dem zweiten Band fortgesetzt wurde.

Der erste Band der Schriftenreihe trägt den Titel: "Europa und die Zukunft der deutschen Minderheiten" und ist jedem Interessierten der historischen und aktuellen Situation des Deutschtums im alten k.u.k.-Raum zu empfehlen. In ihr findet man kurze historische Abrisse, zum Beispiel über die Anfänge der deutschen Besiedlung im östlichen Mittel- und Südosteuropa oder über die Ausdifferenzierung des Parteienspektrums der Deutschen in Böhmen und Mähren im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, aber auch über die politische und rechtliche Lage der Deutschen in Jugoslawien zwischen der Staatsbildung 1918 und der deutschen Militärbesatzung 1941.

Gleichberechtigt sind diesen Kapiteln des Sammelbandes zwei Aufsätze über die jüngste Vergangenheit zugeordnet: Eines widmet sich den Initiativen Österreichs zugunsten der deutschsprachigen Minderheiten seit dem Fall des Eisernen Vorhangs, ein weiteres der wissenschaftlichen und publizistischen Bearbeitung der Flüchtlingsfrage in Österreich von 1945 - 1975. Große Aufmerksamkeit verdienen die leider etwas knapp gefaßten Berichte über die Situation der verbliebenen deutschen Minderheiten. Eine gute Übersicht der Ansprechpartner bei den Minderheiten mit jeweiligen Kontaktadressen runden den gelungenen Band ab. Der in diesem Jahr herausgegebene zweite Band der Reihe - eine Studie Gilbert Gornigs mit dem Titel "Völkerrecht und Völkermord" - setzt zumindest grobe historische Vorkenntnisse voraus: Die am Beispiel der Sudetendeutschen angelegten völkerrechtlichen Thesen lassen sich problemlos auch auf andere Vertreibungen wie die in Kroatien, Bosnien und im Kosovo von serbischer Seite durchgeführten "ethnischen Säuberungen" anwenden. Gornig zieht nach der Prüfung aller anzuwendenden Rechtsgrundsätze, insbesondere dem Vertreibungsverbot, das er auch aus dem Statut des Nürnberger Militärgerichtshofes, der Völkermordkonvention von 1948, dem Vierten Genfer Abkommen wie auch dem vierten Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Diskriminierungsverbot der Vereinten Nationen entlehnt, ein eindeutiges Fazit: Die Tschechische Republik als Rechtsnachfolger des damaligen Tschechoslowakischen Staates sei für das "völkerrechtswidrige Handeln verantwortlich" und habe "den verschuldeten Schaden wiedergutzumachen". Freilich stuft Gornig die Chancen zur Durchsetzung derartiger Ansprüche zur Zeit als gering ein: Nicht nur die tschechische Seite zeige sich in dieser Frage entschlossen, alle möglichen Ansprüche kategorisch zurückzuweisen. Auch die deutsche Seite zeige äußerst wenig Interesse an einer Behandlung dieser Thematik. Charakteristisch für die "allenthalben vertretene doppelte Moral" seien Äußerungen des Bundeskanzlers Schröder, der zwar einerseits erkläre, daß es nie wieder möglich sein dürfe, Deportation, Mord und Vertreibung politisch zu dulden, andererseits aber die gesamte sudetendeutsche Frage als "abgeschlossenes Kapitel der Geschichte" bezeichne. Wer die Vertreibung im Kosovo ächte, so der Autor Gornig abschließend, müsse auch die Vertreibung der Sudetendeutschen verurteilen.

Die Schriftenreihe des Felix-Ermarcora-Institutes - Forschungsstätte für die Völker der Donaumonarchie sind über das Haus der Heimat, Steingasse 25 a, A-1030 Wien erhältlich


 
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