© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/02 11. Oktober 2002

 
Die Genossen als Bosse
Der CSU-Politiker Andreas Feser stellt den Einfluß der SPD auf die Presselandschaft in Deutschland dar und verstrickt sich in der Datenfülle
Hans-Helmuth Knütter

Die Parteien und das Geld - das ist eine unendliche Geschichte. Vielleicht rührt sie an das Schicksal und die Zukunft der Demokratie. Die Staatsbürger übertragen nämlich die "Verdrossenheit" über die geldgierigen Parteien auf das politische System insgesamt. Die vorliegende Schrift ist eine Kritik dieser Politik, wenn auch mit parteipolitischem Akzent. Wenn sich nämlich ein CSU-Autor mit SPD-Finanzen befaßt, geschieht das sicher nicht zum Ruhme der Sozialdemokraten.

"Die Erfolgsaussichten einer Partei sind heute mehr denn je zuvor von ihrer Finanzkraft abhängig. Schon die bisherigen 'Machtwechsel' in der Geschichte der Bundesrepublik zeigen einen engen Zusammenhang zwischen der Finanzlage und dem Wahlerfolg der großen Parteien: Der Abwahl der von der CDU geführten Regierungen 1969 und 1998 ging eine schwere Finanzkrise der Partei in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre und der wachsende Einnahmevorsprung der SPD in den neunziger Jahren voraus - und entsprechend dem Machtverlust und der Wahlniederlage der Sozialdemokraten 1982/1983 eine wachsende Verschuldung der SPD-Bundespartei." So steht es in Andreas Fesers entlarvender Analyse des SPD-Pressekonzerns. Der Autor, Jahrgang 1960, ist Planungsleiter der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Er untersucht den SPD-Presse-Konzern (also nur die sogenannten "Printmedien") und diese Untersuchung hat es in sich, auch wenn sich der kritische Leser fragen wird: Haben wir es hier mit einer Parteischrift zu tun? Die SPD hatte seit dem 19. Jahrhundert einen erheblichen Zeitungsbesitz, damals ein wichtiges Agitationsmittel. Nach der Rückerstattung des in der NS-Zeit enteigneten Besitzes gab es zunächst wieder die traditionellen Parteizeitungen, die aber nach 1945 keinen Anklang mehr fanden und bis zu Beginn der siebziger Jahre nahezu ausnahmslos Pleite machten. Die SPD wählte danach einen neuen Weg, über die Presse Einfluß zu gewinnen.

Heute gibt es zwei große sozialdemokratische Zusammenschlüsse im Medienbereich, nämlich die "Konzentration GmbH" und die 1971 gegründete "Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft". Zu ihr gehören 49 Betriebe (Druckereien, Verlage), meistens nicht im Alleinbesitz der SPD, die "lediglich" beteiligt ist. Während vor 1933 die Zeitungen sich offen zu ihrer Parteibindung bekannten, legte man nach 1945 auf (scheinbare) Überparteilichkeit Wert. Dem paßte sich die SPD an und übt über ihre Beteiligungen erheblichen politischen und personellen Einfluß aus - aber auf dem Etikett taucht die SPD nicht auf. Man streicht Gewinne ein, was für die Parteikasse angenehm ist und kann durch Postenvergabe eine ergebene und abhängige Journalistenschicht an die Partei binden. Die Möglichkeit der verdeckten Meinungslenkung schätzt Feser als bedeutend ein. Zu den Vorzügen dieses Buches gehören die sehr genauen Nachweise, die übrigens ausnahmslos aus öffentlich zugänglichen Quellen stammen. So wird belegt, daß die SPD 10 Prozent der in Deutschland erscheinenden Tageszeitungen beeinflußt (der Axel-Springer-Verlag 23,6 Prozent), in NRW bis zu 12 Prozent, in Niedersachsen bis zu 41Prozent und in Sachsen sage und schreibe 55 Prozent. Mit der Wirkung der Presse scheint es doch nicht so weit her zu sein. Feser wirft der Sächsischen Zeitung vor, sie habe praktisch SPD-Propaganda verbreitet. Seine höchst zweifelhafte Erklärung für den propagandistischen Mißerfolg - bei der letzten Wahl erreichte die SPD blamable 11 Prozent - lautet, die SPD habe die Sächsische Zeitung erst ab 1991 beeinflussen können. Die Zeit sei zu kurz. Aber in Niedersachsen gebe es einen offenkundigen Zusammenhang von sozialdemokratischem Presseeinfluß und Wahlerfolg. Die Verbindung von publizistischem Einfluß und politischer Macht sei gefährlich, meint Feser und zielt auf die SPD. Die SPD findet das übrigens auch, meint aber nicht sich, sondern blickt auf Berlusconi.

Wie gesagt, es handelt sich um eine Schilderung, die durch ihre Genauigkeit und die ungeheure Materialfülle überzeugt - ausgebreitet in 1328 Literaturnachweisen. Aber leider erfolgt die Präsentation auf eine Weise, die der Sache weitgehend die Wirkung nimmt. Zwar wird alles genau belegt, aber die Zahlenfülle wirkt manchmal verwirrend.

Das ist ja alles furchtbar interessant und vielleicht brauchbar für Wirtschaftsprüfer, Anwälte und (neidische) Polit-Konkurrenten. Die zweifellos seriösen Angaben über den Reichtum der SPD versinken leider im Zahlenwust. Das ganze Buch macht den Eindruck einer Ausarbeitung für eine CDU/CSU-Medienkommission, die auch der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden sollte, gerade noch vor der Bundestagswahl. Offenbar mußte das Buch schnell an die Öffentlichkeit, so daß keine Zeit mehr für Sach- und Personenregister blieb, das für ein Handbuch mit dieser Detailfülle fast unverzichtbar ist. Auch ein Literaturverzeichnis fehlt, was die Recherche nach einer bestimmten Veröffentlichung fast unmöglich werden läßt.

Dieses gediegene Werk wird nur lesen, wer es muß. Wer sich durch das Zahlengestrüpp hindurchkämpft, wird allerdings durch manches Aha-Erlebnis belohnt werden. Für Medienfachleute, insbesondere Abgeordnete, die sich mit der Mediengesetzgebung beschäftigen, ist es unverzichtbar. Den Mitläufern der BRD-Spaßgesellschaft wird es wohl zu trocken sein.

Andreas Feser: Der Genossen-Konzern. Parteivermögen und Pressebeteiligungen der SPD. Olzog Verlag, München 2002, 136 Seiten, 20 Euro


 
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