© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/02 18. Oktober 2002

 
Verluste bei der konservativen Stammwählerschaft
Dokumentation: Eine Analyse der Konrad-Adenauer-Stiftung legt unangenehme Ursachen für die Wahlniederlage der CDU offen
Hans-Peter Rissmann

In einer jetzt vorgestellten Analyse der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) kommt die CDU-nahe Stiftung zum Ergebnis, daß das schlechte Abschneiden der Partei in erster Linie auf die schwache Mobilisierung der bedeutsamen Wählergruppe der über 60jährigen zurückzuführen ist. Dieses Ergebnis widerlegt insbesondere von der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel vertretene Auffassungen, nach denen die Union bei jungen Wählern und in den Städten hätte mehr punkten müssen. Die KAS-Studie belegt nun anschaulich, daß die CDU nicht mehr in der Lage ist, die konservative Stammwählerschaft an sich zu binden und diese Verluste auch nicht durch Zugewinne bei Jungwählern kompensieren kann. Wörtlich heißt es in der KAS-Analyse:

"Bei der Stimmabgabe nach Alter und Geschlecht wiederholt sich ein Wahlverhalten, das 1998 für die Niederlage der Union entscheidend war und einen Regierungswechsel der Union 2002 verhinderte. Die Union hatte 1998 bei den über 60jährigen nur 45 Prozent der Wähler erreicht (-7 Punkte). Bei dieser Wahl stagnierte der Anteil der über 60jährigen bei 45 Prozent. Die Union konnte seit 1953 (Einführung der repräsentativen Wahlstatistik) bei den über 60jährigen etwa die Hälfte der Wähler erreichen. 1998 kam die Union in dieser Altersgruppe unter die 50-Prozent-Marke.

In dieser für die Union relevanten Zielgruppe blieb sie somit erneut deutlich unterhalb ihrer Mobilisierungsmöglichkeiten. Die Union konnte seit Jahrzehnten regelmäßig mit etwa 50 Prozent der Stimmen in diesem Alterssegment rechnen. Vor allem die über 60jährigen Frauen waren eine Wählergruppe, die mit großer Stabilität die Partei unterstützte. Da es sich bei den über 60jährigen um eine quantitativ große Gruppe handelt (31 Prozent der Wahlberechtigten!), wirken sich auch nur geringe prozentuale Rückgänge dramatisch auf das Wahlergebnis aus. Insbesondere die Jung- und Erstwähler, die nur 4 Prozent der Wahlberechtigten stellen (Altersgruppe 18-21 Jahre) und sich zudem durch eine höhere Wahlabstinenz auszeichnen, können Verluste in den älteren Altersgruppen in keiner Weise aufwiegen. Normalerweise müssten sich die demographischen Veränderungen positiv auf die Union auswirken, da die Gruppe der älteren Wähler wächst und zudem ein Trend zum konservativen Wahlverhalten als Lebenszykluseffekt sich seit Jahrzehnten empirisch nachweisen läßt.

Das Wahlverhalten der Frauen bei der Bundestagswahl illustriert diese Problemlage. 1998 verlor die Union bei den über 60jährigen Frauen 8 Punkte und wurde von 44 Prozent der Frauen in dieser Altersgruppe gewählt. 2002 verlor die Union in dieser Altergruppe einen Prozentpunkt. Obwohl die Union in den anderen Altersgruppen deutlich zulegte (z.B. bei den 35-44jährigen Frauen um 6 Punkte), konnte sie quantitativ den Verlust bei den über 60jährigen nicht kompensieren und gewann insgesamt nur zwei Prozentpunkte bei den Frauen hinzu. Die Union verdankt die Gewinne in erster Linie Zugewinnen bei den 25-44jährigen Wählern und hier etwas stärker den Männern als den Frauen. (...)

Die Ergebnisse der Wahltagsbefragung lassen sich als Trend schon im Vorfeld der Wahlen erkennen. In dem Maße, in dem die Union die Unterstützung der über 60jährigen verliert, schwindet auch ihr Rückgang in der Wählerschaft insgesamt, da dies quantitativ nicht aufgeholt werden kann. Ebenfalls wird deutlich, daß bei Frauen die Unterstützung stark gesunken ist. Dies ist eine neue Tendenz. Bis 1998 hatte die Union bei Wahlen einen z.T. sehr deutlichen Frauenüberschuß. Deutlich wird an den Verlaufszahlen auch, daß in dem Maße, in dem die Union in den neuen Ländern an Zustimmung verlor, die SPD Zugewinne verzeichnen konnte." hans-peter rissmann

Analyse der Bundestagswahl vom 22. September 2002, hrsg. von der Konrad-Adenauer-Stiftung, Rathausallee 12, 53757 Sankt Augustin, als PDF-Datei über Weltnetz: www.kas.de 


 
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