© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/02 18. Oktober 2002

 
Kolumne
Gefahr erkannt
Andreas Mölzer

Während die Freiheitlichen unter ihrem neuen Obmann Mathias Reichhold um die Konsolidierung der krisengeschüttelten Partei kämpfen, versteht es der christlich-konservative Koalitionspartner geschickt, die Erfolge der kaum dreijährigen Wende-Regierungszeit für sich zu reklamieren. Ebenso geschickt besetzt man genuin-freiheitliche Themen und nützt dabei einen doppelten Effekt: Die Freiheitlichen können kaum etwas dagegen sagen, wenn man beispielsweise verspricht, in der Ausländerfrage hart zu sein, und die desorientierten vormaligen FPÖ-Wähler können mit einem Schlag in der ÖVP eine inhaltliche Alternative für sich erkennen. Wolfgang Schüssel glaubt, damit den Wahlsieg anpeilen zu können.

Das was die Bundesregierung in der Ausländerpolitik in den letzten Jahren an Reformen beschlossen hat, ist zweifellos auf der Haben-Seite zu verbuchen. Bereits im Koalitionsabkommen, das noch Jörg Haider mit Wolfgang Schüssel ausgehandelt hat, war es klar, daß es zu den zentralen freiheitlichen Forderungen gehören sollte, einen Zuwanderungstopp zu erreichen beziehungsweise dem Prinzip Integration vor Neuzuzug zum Durchbruch zu verhelfen. Maßnahmen wie die heißumstrittenen Zwangs-Deutschkurse für Ausländer bildeten da nur die Spitze. Tatsächlich scheint es das Bestreben der Regierung zu sein, die Problematik des unbegrenzten Ausländerzustroms in den Griff zu bekommen - nicht immer mit wirklichem Erfolg.

Die Probleme, wie sie in den letzten Wochen etwa um das hoffnungslos überfüllte Flüchtlingslager Traiskirchen bekannt wurden, deuten darauf hin, daß die Ausländer-Problematik nach wie vor eine für die Republik gefährliche Dimension besitzt. Auch die gewaltige Zahl der Einbürgerungen, die sogar unter der blau-schwarzen Wenderegierung vorgenommen wurden, zeigt, daß man formal zwar Probleme löste, soziokulturell aber nicht. Selbst mit einem vorzeitig verliehenen österreichischen Paß bleibt der Fremde kulturell und in seinem Sozialverhalten eben ein Fremder.

Diese medienwirksamen Maßnahmen der letzten Zeit des Innenministers sind natürlich vollends auf den Wahlkampf zugeschnitten. Gerade ÖVP-Innenminister Ernst Strasser, der angeblich den linken Bevölkerungswissenschaftler Rainer Münz und den Caritas-Priester Michael Landau zu seinen Beratern zählt, war ja bislang der Linksausleger der Koalitionsregierung. Wenn er, der als ausgewiesener Großkoalitionär gilt, nunmehr mit einer neuen, vermeintlich scharfen Anti-Ausländer-Politik freiheitliche Wähler ködern soll, darf dies geradezu als Ironie der politischen Entwicklung der letzten Wochen definiert werden.

 

Andreas Mölzer ist Chefredakteur der österreichischen Wochenzeitung "Zur Zeit"


 
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