© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/02 18. Oktober 2002

 
Freiheit als Begleitprodukt
Franz Alt fordert eine Verstärkung der umweltfreundlichen Sonnenenergie, die auch die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Öl beenden würde
Alexander Barti

Rechtzeitig zu den Vorbereitungen für einen neuen Krieg in der Golfregion hat der bekannte Fernseh-Journalist Franz Alt sein neues Buch herausgebracht. Wie bei fast allen seiner vorherigen Werke, handelt es sich auch diesmal um die wichtigste Frage der Menschheit: die Energiefrage.

Und auch die Grundthese Alts hat sich nicht geändert. Noch immer vertritt er vehement, daß einzig eine auf Sonnenkraft gegründete Gesellschaft fähig sei, dauerhaften Frieden zu schaffen. Denn die Sonne schicke nicht nur 15.000-mal mehr Energie zur Erde, als der Mensch verbrauche, sie sei auch überall vorhanden und verursache durch ihren "Abbau" keine Umweltschäden - eine "himmlische Rechnung" entstünde daher nicht: "Die dezentrale Energieumwandlung geschieht regenerativ, geräuschlos, emissionsfrei und ohne Folgeprobleme. Einfacher geht es nicht: Licht rein, Strom raus". Um auch den Leser von seiner Grundthese zu überzeugen, nimmt Alt ihn mit auf einen wilden - manchmal zu geradlinigen - Ritt durch Weltpolitik, soziale Gerechtigkeit und technische Details, um am Ende mit einer "Jesus-Buddha-Strategie" die solare Weltwirtschaft einzuläuten. Als routinierter Journalist vergißt Alt nicht einen Stil zu wählen, der es dem Leser leicht macht, das komplexe Beziehungsgeflecht von universaler Ethik und Macht zu durchschauen; ebenso versteht er es, die wesentlichen Tatsachen an verschiedenen Stellen in immer anderen Zusammenhängen zu referieren, so daß am Ende selbst der verbohrteste Solar-Gegner von der Wirksamkeit der Sonnenkraft überzeugt ist. Vielleicht auch deshalb, weil Alt bei aller Dramatik nicht in den suizidalen Alarmismus frustrierter "Müslis" verfällt.

Ausgehend vom 11. September 2001 erklärt Alt zunächst, daß die modernen Kriege immer ein Kampf um Energie gewesen seien und nach wie vor sind. Dabei zitiert er zum Beispiel F. William Engdahl, der bei seinen historischen Forschungen herausgefunden habe, daß "Royal Dutch Shell enge Beziehungen zur NSDAP unterhalten und die Partei reichlich unterstützt hatte" - weil die junge Sowjetunion nicht bereit gewesen war, ihr Öl den anglo-amerikanischen Fördergesellschaften für ein Almosen zu überlassen. Man hoffte bei einem Krieg zwischen Deutschland und Rußland der lachende Dritte sein zu können.

Aber Alt liefert nicht nur historische "Schmankerl", die ihm erstaunlicherweise noch nie den Vorwurf eines "Verharmlosers" eingebracht haben, er greift auch die von ihm sogenannten "Energielügner" an, die auf breiter publizistischer Front die Wirksamkeit der Solarkraft bekämpfen würden. Während er Bundeskanzler Schröder (SPD) zu den mit der Kohlewirtschaft verfilzten Gruppen zählt, sieht er die Unionspolitiker in den Händen der Erdöl- und Kernkraftlobby. Lob findet er für die Politik der erneuerbaren Energie bei den Grünen (Alt selbst "outet" sich als Anhänger der ÖDP), aber sein eigentliches Vorbild ist der Sozialdemokrat Hermann Scheer, Vorsitzender von Eurosolar, der seit Jahrzehnten für eine Energiewende kämpft. Im übrigen auch bei seinen Genossen mit nicht übermäßigem Erfolg. Dabei sind die "sonnigen" Aussichten tatsächlich verlockend, gerade auch auf politischem Gebiet: die deutsche Wirtschaft könnte sich von einer lästigen Abhängigkeit schrittweise befreien, ohne in die Steinzeit zurückfallen zu müssen. Aber selbst diese Vision wird von "Konservativen" ignoriert, belächelt und verhöhnt, obwohl gerade auch die Energiefrage eine Frage der staatlichen Souveränität ist. So vergleicht Alt das Verhältnis von Industriestaat und Erdöl treffend mit dem eines Süchtigen, der nicht mehr von dem "Stoff" wegkommt, obwohl sich die Abhängigkeit schon lange nicht mehr "rechnet". Aber was noch viel dramatischer ist: Fossile Energieträger sind endlich. Seit Jahren findet man immer weniger Lagerstätten, die zudem mit immer größerem Aufwand abgebaut werden müssen, während der Verbrauch stetig zunimmt. Berechnungen von Shell, BP und anderen Energieunternehmen haben ergeben, daß allerspätestens in 60 Jahren der fossile Ofen aus ist - und dabei sind etwaige Wetterveränderungen nicht miteinbezogen. Soweit muß es nicht kommen, denn jeder einzelne kann sofort mit dem Ausstieg beginnen: regenerativer Stromvertrag für die Mietwohnung und Photovoltaik-Anlage aufs eigene Häusle! Daß damit auch der Globalisierung ein Schnippchen geschlagen wird, gehört zu den angenehmen Nebeneffekten der Energiewende.

Franz Alt: Krieg um Öl oder Frieden durch die Sonne. Riemann im Bertelsmann Verlag, München 2002, 347 Seiten, 17,90 Euro


 
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