© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/02 25. Oktober 2002

 
"Nur eine linke Diktatur"
Der Bürgerrechtler Alexander Bauersfeld über den Fall Stolpe
Moritz Schwarz

Herr Bauersfeld, Sie sind Vorstandsmitglied des Dachverbandes "Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft" (UOKG), der zwei Millionen Mitglieder vertritt. Ihr Verband hat heftige Kritik an der Berufung Manfred Stolpes ins neue Bundeskabinett geäußert.

Bauersfeld: Manfred Stolpe hatte in seinen Jahren als Konsistorialpräsident der evangelischen Kirche in der DDR engste Kontakte zum Ministerium der Staatssicherheit. Dabei war er eine Vertrauensperson der Stasi und nicht der Kirche.

Der Öffentlichkeit gilt der letzte Beweis für Stolpes Schuld als nicht erbracht.

Bauersfeld: Aus unserer Sicht ist Herr Stolpe eindeutig belastet. Ich verweise auf den "Berliner Appell" in der taz vom Oktober 1994, unterzeichnet zum Beispiel von Bärbel Bohley oder Freya Klier. Da wird klar gesagt: Die Haltung großer Teile der politischen Klasse zum Fall Stolpe und die Einbeziehung der PDS in den politischen Entscheidungsprozeß sind deutliche Signale für einen Verfall der politischen Kultur.

Ihr Verband kritisiert die Berufung Stolpes als gegen die Menschen in den neuen Ländern gerichtet. Andererseits war Stolpe mit der Mehrheit der Stimmen dieser Menschen, zumindest in Brandenburg, zwölf Jahre lang Ministerpräsident.

Bauersfeld: Dieses oft gebrauchte Argument ist die reine Demagogie. Denn wenn NPD, DVU oder Republikaner in die Parlamente kommen, dann gelten sie durch dieses Wählervotum auch nach Jahren nicht als demokratisiert. Aber Stolpe war ja nur einer linken Diktatur zu Diensten.

Wie nun wieder, so hat auch damals Manfred Stolpe seine Kritiker zu einem Gespräch eingeladen. So haben Sie ihn 1994 in Potsdam zu einem persönlichen Gespräch getroffen.

Bauersfeld: Ja, ich habe ihn unmißverständlich zum Rücktritt aufgefordert. Da kam wieder die übliche Rechtfertigung: "Die Brandenburger haben mich gewählt." Das Übel ist, daß ein Großteil der Wähler sich nicht mit Hintergründen der Politik, zum Beispiel mit den Stasi-Akten, beschäftigt.

Nun will Stolpe Stephan Hilsberg, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und ehemaliger Bürgerrechtler, der sich weigert, unter Stolpe zu dienen, zu einem Gespräch treffen.

Bauersfeld: Stolpe versucht es wieder auf die übliche Art, aber ich glaube nicht, daß er Hilsberg wird einwickeln können. Ich kenne Stephan Hilsberg persönlich, er hat 1989 die "Sozialdemokratische Partei" (SDP), also die "Ost-SPD" mitgegründet, ich habe große Achtung vor ihm.

Aus der SPD erhält Hilsberg keine Unterstützung. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering sagte, Hilsberg steht allein.

Bauersfeld: Ja was erwarten Sie denn? Unter Müntefering und Schröder hat die SPD einen gewaltigen Linksruck vollzogen. Der Grund dafür liegt im Machtwillen Gerhard Schröders, der die PDSED braucht, der aber nach links auch kein Gewissen kennt. Schröder hat sich doch tatsächlich an ein und demselben Tag gegen die Ehrenpension für SBZ-DDR-Verfolgte ausgesprochen und die Renten für SED- und Stasi-Funktionäre erhöhen lassen. Und öffentlich hat er Nachsicht gegenüber Stasi-Mitarbeitern zum Ausdruck gebracht, als er äußerte: "Wüßte ich denn, wie ich mich entschieden hätte?" Das ist für uns unerträglich. Stellen Sie sich das aus dem Munde eines CDU-Mannes über einen NS-Belasteten vor: der Teufel wäre los!

Warum stehen nicht wenigstens die anderen ehemaligen SDP-Männer und -Frauen Hilsberg zur Seite?

Bauersfeld: Als ehemalige SDP-Leute in der SPD gegen die Koalition mit der
PDSED in Berlin protestiert haben, hat das doch niemand zur Kenntnis genommen. Schröder würde auch Gysi in die SPD aufnehmen, kein Zweifel.

Die Kritik an Schröder erscheint allerdings einseitig angesichts der Tatsache, daß auch die bürgerlichen Parteien - einst stolze Träger des antitotalitären Konsens - auf jede Empörung verzichten. Die Union hat in Brandenburg selbst mit Stolpe zusammengearbeitet.

Bauersfeld: Es gilt immer noch die alte Brandtsche Formel: "Es gibt eine linke Mehrheit in der Bundesrepublik Deutschland." Und die soll jetzt mit aller Gewalt für alle Zeiten zementiert werden. Ich bin eigentlich erstaunt darüber, daß das bei der FDP und Union nicht begriffen wird. Wären sich die bürgerlichen Parteien ihrer demokratischen Verantwortung bewußt, müßten von dort noch klarere Signale kommen, die PDSED zu isolieren und jeden Versuch sie einzubinden, anzuklagen. Statt dessen können PDSED und SPD in Schwerin sogar darangehen, das Amt des Landesbeauftragten für Stasi-Unterlagen zu beseitigen. Da läuft ein ideologischer Generalangriff, und die bürgerlichen Parteien merken scheinbar nichts.

 

Alexander Bauersfeld, 54, wurde 1983 wegen Beteiligung an der Aktion "Schwerter zu Pflugscharen" in der DDR verhaftet und 1984 freigekauft. Er ist Mitglied im Bundesvorstand der "Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft"

 

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