© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/02 25. Oktober 2002

 
In Hamburg schlagen die Wellen höher
Verfassungsschutz: Die in anderen Bundesländern bereits erweiterten Befugnisse sind in der Hansestadt auf scharfen Protest betroffener Berufsgruppen gestoßen
Peter Freitag

Seit Ende vergangener Woche herrscht in Hamburg Aufregung um einen von Innensenator Ronald Schill vorgelegten Entwurf zum Landesverfassungsschutzgesetz. Die Novelle sieht vor, daß Verfassungsschützer sowohl mit "Wanzen" als auch mit Kameras Büroräume, Privatwohnungen und Autos sogenannter Berufsgeheimnisträger auskundschaften dürfen, wenn sie mit des Extremismus Verdächtigten Kontakt haben.

In die Gruppe der Berufsgeheimnisträger fallen beispielsweise Priester, Ärzte, Rechtsanwälte und Journalisten. Vertreter dieser Berufsstände protestierten nach Bekanntwerden des Entwurfs in der Öffentlichkeit gegen die Pläne des Senats, die Schwelle für ein Eingreifen in deren grundgesetzlich geschützte Berufsausübung (Schweigepflicht bzw. Informantenschutz) niedriger zu legen. Insbesondere der Protest von 13 Chefredakteuren darunter auch Bild-Chef Kai Diekmann, wiegt in der Pressestadt Hamburg schwer. Auch Vertreter von Kirchen und Gewerkschaften appellierten an die Abgeordneten, dem Gesetz, das über die Bestimmungen des Bundesverfassungschutzgesetzes hinausgeht, nicht zuzustimmen.

Unter einigen Politikern der Koalition kippte daraufhin die Stimmung, zuerst bei der FDP. Deren Fraktion hatte zwar den Entwurf bereits vier Wochen zuvor erhalten, ihm aber intern ohne Beanstandungen abgesegnet und ihrem Senator Rudolf Lange die Zustimmung am Kabinettstisch empfohlen "pünktlich am Jahrestag des 11. September" immerhin hatten die Liberalen es geschafft, die von Schill ebenfalls geplante Ausdehnung der Verfassungsschutz-Zuständigkeit für den Bereich Organisierte Kriminalität zu verhindern. Dann auf einmal kriselte es in der Partei, die ihre Glaubwürdigkeit im Bereich "Bürgerrechte" (und wahrscheinlich ihre Wahlchancen unter liberalen Ärzten, Rechtsanwälten und Journalisten) schwinden sah. Flugs äußerten Mitglieder der FDP-Fraktion, daß eine Verschärfung der Abhörbefugnisse über das Bundesverfassungsschutzgesetz hinaus mit ihnen nicht zu machen sei. Auf die Überschreitung dieser Richtlinie hatte jedoch zuvor auch schon der Datenschutzbeauftragte der Stadt, Hans-Hermann Schrader, hingewiesen. Der Vorsitzende der Schill-Fraktion, Norbert Frühauf, kritisierte, das Thema werde "künstlich hochgeschaukelt". In der Tat ist der Gesetzentwurf so beispiellos nicht, wie von den Protestierern behauptet.

Nach dem 11. September erleichterten im Rahmen neuer Anti-Terrorgesetze auch andere Bundesländer schon die Möglichkeiten der Wohnraumüberwachung, wie zum Beispiel Bayern, Hessen, Thüringen, Rheinland-Pfalz und das Saarland.

In Bayern darf dabei auch derjenige belauscht werden, der (berufsbedingt) Kontakt mit Verdächtigen hat, ohne selbst verdächtig zu sein. Investigative Journalisten, die mit Islamisten, Rechts- oder Linksextremisten Gespräche führen, könnten so auch selbst zum Ziel werden. Auf diese Weise soll verhindert werden, daß Räumlichkeiten von Berufsgeheimnisträgern, die mit den Zielen der Extremisten sympathisieren, als unbehelligte Treffpunkte dienen können. Die auf Informantenschutz beruhende Arbeit der Presse wäre dadurch jedoch untergraben. Laut Gesetz für den Bundesverfassungsschutz und die meisten anderen Landesämter darf der sogenannte Große Lauschangriff nur dann angewendet werden, wenn die Gefahr gegenwärtig ist. Für Lauschangriffe der Polizei bleiben Berufsgeheimnisträger grundsätzlich ausgespart, es sei denn, sie sind selbst Verdächtige.

Inzwischen bestätigte der Pressesprecher der Hamburger Schill-Fraktion, Marc März, auf Anfrage der JF, daß in dem Gesetzentwurf die Möglichkeit, Berufsgeheimnisträger bereits bei Verdacht abzuhören, gestrichen werden soll.


 
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