© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/02 08. November 2002


Wenn Wahlverlierer weich fallen
PDS: Nach dem Rauswurf aus dem Bundestag wartet auf die ehemaligen Abgeordneten so mancher Versorgungsposten
Melanie Walter

Reichlich sechs Wochen nach der Bundestagswahl sind die Büros der 36 Bundestagsabgeordneten der PDS und 200 Mitarbeiter im Jakob-Kaiser-Haus längst geräumt. Nach dem Scheitern ihrer Partei an der Fünf-Prozent-Hürde und dem dritten Direktmandat wurde die Bundestagstagsfraktion abgewickelt.

Dem Rauswurf aus dem Parlament durch den Wähler folgt eine weiche Landung. Das bundesdeutsche Abgeordnetenrecht sorgt gut für Parlamentarier, auch für die ehemaligen. Erst zum 1.1.2002 ist die Abgeordnetenentschädigung auf 6.878 Euro erhöht worden und sie wird mit dem Beginn des nächsten Jahres auf 7.009 Euro steigen. Dazu stehen jedem Abgeordneten im Jahr zur Beschäftigung von Mitarbeitern 97.907,28 Euro zur Verfügung. Hinzu kommt eine monatliche Kostenpauschale von 3.417 Euro. Mit ihr können etwa die Zweitwohnung und das Wahlkreisbüro finanziert werden. Mit ihrer vom Grundgesetz zugesprochenen "angemessenen Entschädigung" liegen Bundestagsabgeordnete damit innerhalb der obersten 0,5 Prozent in der Einkommensverteilung der Bevölkerung. Dazu komme schließlich die unüberschaubaren verdeckten Vergünstigungen, wie etwa die kostenlose Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Rund 30 Prozent der Abgeordneten sind in einem weiteren Beruf tätig, ohne daß die Einkünfte daraus auf die Bundestagsbezüge angerechnet werden.

Nach acht Jahren Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag wird ohne jede Einzahlung ein lebenslanger Pensionsanspruch erworben. Wenn die Abgeordneten mit 65 Jahren das Pensionsalter erreicht haben, dann fließen die Bezüge selbst dann, wenn sie weiteres Einkommen haben. Wer das Rentenalter noch nicht erreicht hat, kann sich über das reichlich bemessene Übergangsgeld freuen. Für jedes Jahr Parlamentszugehörigkeit wird ein Monat Übergangsgeld gezahlt, und zwar in Höhe der jeweils aktuellen Abgeordnetenentschädigung. Ab dem zweiten Monat nach dem Ausscheiden werden zumindest die sonstigen Einkünfte angerechnet. Die maximale Leistungsdauer des Übergangsgeldes werden die Ex-PDS-Abgeordneten kaum erreichen können. Es wird bis zu 18 Monate lang gezahlt. So lange gibt der Gesetzgeber im Höchstfall Zeit, um den "beruflichen Wiedereinstieg" abzusichern. Die neue Erfahrung "Arbeitslosigkeit" tut dann noch weniger weh, wenn man sich mit diversen Versorgungsposten und -pöstchen bereits im Vorfeld abgesichert hat. Sie sind in der Regel gutes Geld wert. Mandatshäufungen, Vorstands- und Aufsichtsratsposten und andere Nebentätigkeiten zahlen sich aus. Selbst dann, wenn im Wahlvolk und in den eigenen Reihe vormals heftig gegen sie agitiert worden ist. Bei den PDSlern scheinen besonders Aufichtsratsposten und kommunale Mandate beliebt zu sein. Parteichefin Petra Pau sitzt beispielsweise höchstpersönlich im Aufsichtsrat Wohnungsgenossenschaft "Grüne Mitte" in Berlin-Hellersdorf. Nur hatte sie das Glück, ihren Wahlkreis zu gewinnen und darf deshalb als einzige aus der PDS-Fraktion im Parlament bleiben. Christine Ostrowski ist Aufsichtsratsmitglied der Wohnbau Südost Dresden und zudem Stadträtin in der Elbestadt. Ihre ehemaligen Fraktionskolleginnen Maritta Boettcher, Kersten Naumann und Rosel Neuhäuser sind Mitglieder in verschiedenen Kreistagen. Heidemarie Ehlert ist nicht nur Stadträtin in Halle/Saale, sondern auch mit einem Sitz im Verwaltungsrat der dortigen Stadt- und Saalkreissparkasse vertreten. Der Theologieprofessor und 1992 wegen seiner IM-Tätigkeit für die Staatssicherheit der DDR entlassene Rektor der Humbold-Universität in Berlin, Heinrich Fink, ist Mitglied im Aufsichtsrat der Berliner Eurohaus AG. Bärbel Grygier gehört dem Rundfunkrat und Programmausschuß des Sender Freies Berlin an. Sie war erst im Februar dieses Jahres für Gregor Gysi in den Bundestag eingetreten. Der ehemalige Parlamentarische Geschäftsführer und Potsdamer Abgeordnete Rolf Kutzmutz ist Mitglied im Aufsichtsrat der Energieversorgung Potsdam und Mitglied der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung. Ex-SPD-Mitglied Uwe Hiksch machte inzwischen sogar Parteikarriere und ließ sich auf dem Geraer Parteitag zum neuen Bundesgeschäftsführer der PDS wählen. Als bayrischer Bundestagsabgeordneter hatte er 1999 Partei und Fraktion gewechselt. Winfried Wolf schreibt dagegen nach eigener Aussage weiter an seinen Büchern und Artikeln, wie er es auch vor und während seiner Zeit im Bundestag getan hat.

Was die 92 ausgeschiedenen Fraktionsmitarbeiter betrifft, so gehen sie auch nicht leer aus. Noch bis zum Jahresende werden ihnen die vollen Bezüge weitergezahlt. Die Fraktion hatte genug Geld beiseite gelegt, um die Gehälter während der dreimonatigen Kündigungsfrist weiter zahlen zu können. Nur die etwa 100 persönlichen Mitarbeiter der Abgeordneten kommen schlecht weg. Sie haben lediglich befristete Arbeitsverträge, die mit dem Ende der Legislaturperiode ohnehin auslaufen.

Nach der Bundestagswahl sind insgesamt 241 Bundestagsabgeordnete aus dem Parlament ausgeschieden. Besonders begehrt unter den Ex-Parlamentariern sind Lobbyistenposten für die Wirtschaft. In den Zeiten knapper Kassen sind die allerdings sehr rar gesät. Als besonders schwer vermittelbar auf dem Arbeitsmarkt gelten die PDS-Genossen. Einige von ihnen sehen ihr Heil deshalb in der Selbständigkeit. Christine Ostrowski kann es sich beispielsweise vorstellen, sich als Grafikerin eine neue Existenz aufzubauen. Die meisten ihrer Ex-Kollegen tendieren aber wohl eher in Richtung Politikberatung. Die Erfahrungen mit Beziehungen und Klüngel lassen sich gut verkaufen.


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