© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/02 08. November 2002

 
Interne Ränkespiele
FDP: Bei den Liberalen in Nordrhein-Westfalen spitzt sich der Machtkampf zu / Möllemann vor dem Rauswurf / Westerwelle gerät in die Kritik
Ronald Gläser

Es vergeht kein Tag ohne neue "Enthüllungen" FDP-interner Ränkespiele. Gerade erst hatte Guido Westerwelle erklärt, das Thema Möllemann sei "abgeschlossen." Doch schon zu Beginn dieser Woche mußte sich der FDP-Bundesvorsitzende abermals mit dessen Hinterlassenschaften befassen.

In Düsseldorf tagte der Landesvorstand der NRW-FDP, dessen Sitzungen soviel Aufmerksamkeit hervorrufen wie Spitzentreffen der Regierungsfraktionen. Immer mehr bröckelt das Bild vom Einzeltäter Möllemann. Finanzieller Taschenspielertricks hat sich nicht nur das enfant terrible der Liberalen bedient.

So berichtete die Berliner Zeitung von Ungereimtheiten im NRW-Landtagswahlkampf vor zwei Jahren. Damals war mit der "Werkstatt Acht" das Fundament für das spätere "Projekt 18" gelegt worden. Auch in diesen Wahlkampf seien Spenden ungeklärter Herkunft geflossen, berichtet das Blatt.

Zwei der damaligen Mitstreiter Jürgen Möllemanns reagierten auf unterschiedliche Art und Weise auf diese Vorwürfe. Irmgard Schwaetzer, eine Intim-Feindin Möllemanns, bestritt alle Vorwürfe. Sie war seinerzeit Schatzmeisterin im größten Landesverband der FDP.

Fritz Goergen, der spiritus rector der FDP-Strategie und Möllemann-Berater, erklärte dagegen nach langjähriger Mitgliedschaft seinen Austritt aus der FDP. Dieser Schritt kann sowohl Enttäuschung über mangelnde innerparteiliche Demokratie als auch ein Schuldeingeständnis darstellen.

Möllemann selbst hat auch in der Parteispendenaffäre mittlerweile weitere Fehler eingestanden. Seine Barspenden an zwei Kandidaten sind jedoch den Rummel nicht wert, der zur Zeit darum veranstaltet wird. In welchem Ausmaß er gegen Gesetze verstoßen hat, wird jetzt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermitteln. Mit einer großangelegten Durchsuchungsaktion ist in Kürze zu rechnen. Da hilft es auch wenig, wenn Westerwelle sich kurzfristig zu Vorstandssitzungen nach Düsseldorf einfliegen läßt. Längst hat er eine Heimniederlage erlitten. Denn die von ihm favorisierte Möllemann-Nachfolgerin Ulrike Flach könnte auch schon wieder unhaltbar für die Partei werden. Zwar hatte sich der Landesvorstand am 21. Oktober nahezu einstimmig für Flach als neue FDP-Landeschefin ausgesprochen. Doch inzwischen bröckelt die Geschlossenheit. Als langjährige Stellvertreterin Möllemanns nimmt ihr niemand die vollständige Unkenntnis ab, die sie zu suggerieren versucht. Der Wuppertaler FDP-Kreisvorsitzende Rolf Köster hat bereits seine Kandidatur angemeldet. Ob auch der stellvertretende Landesvorsitzende Andreas Pinkwart seinen Hut in den Ring wirft, war bis Dienstag noch offen.

Den bisherigen NRW-Landesgeschäftsführer Joachim Kuhl hat die Partei inzwischen vor die Tür gesetzt. Auch der Schatzmeister der Liberalen an Rhein und Ruhr, Andreas Reichel, verzichtete auf eine Wiederwahl. Reichels Begründung könnte fadenscheiniger kaum sein: Die Aufarbeitung der Affäre könne nicht von einem ehrenamtlichen Vorstandsmitglied geleistet werden. Auch in der FDP-Geschäftsstelle rollten Köpfe. Mitarbeiter, die schriftliche Mitteilungen über das Möllemann-Flugblatt nicht weitergeleitet hatten, wurden beurlaubt. Inzwischen wurde bekannt, daß es auch diesbezügliche Anrufe gegeben habe.

Doch das harte Durchgreifen Westerwelles nützt ihm nichts. Der ursprünglich für das kommende Wochenende geplante Landesparteitag mußte einstweilen verschoben werden. Jetzt soll er Ende November der Anfang Dezember stattfinden. Und nicht nur der Spiegel spekuliert in seiner aktuellen Titelgeschichte über den Niedergang der Partei unter ihrer gegenwärtigen Führung. Immer offener wird dabei auch Westerwelles Zukunft als Parteichef in Frage gestellt.

Das Personalproblem besteht aber nicht darin, daß Westerwelle die Partei nicht richtig im Griff zu haben scheint. Die Schwierigkeit besteht darin, daß er der Partei zugemutet hat, Machtpolitik um jeden Preis zum einzigen Thema zu machen.

Noch immer wartet die Partei gespannt auf die Reaktion Möllemanns. Er ist für die FDP inzwischen zum Universal-Sündenbock mutiert. Je enttäuschter Liberale vom Scheitern des "Projekts 18" sind, um so heftiger fallen die Verbalattacken gegen den einstigen Star der Partei aus, so zuletzt von dem sächsischen FDP-Chef Holger Zastrow. Unverhohlen forderte der FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff sogar den Ausschluß Möllemanns aus der Partei.

Möllemann weiß seinerseits viel über seine Parteifreunde und deren fragwürdige Praktiken. Vielleicht sind die emotionalen Wallungen seiner Parteifreunde nur Präventivmaßnahmen. Nicht einmal der finanzielle Schaden, den Möllemann hinterläßt, rechtfertigt den harten Ton, den die Partei gegenüber ihrem Ex-Bundesvize anschlägt.

Der finanzielle Engpaß, in dem die FDP steckt, hat ganz andere Ursachen. Schatzmeister Rexrodt hatte mit einem sehr viel besseren Wahlergebnis und deswegen mit einer höheren Wahlkampfkostenerstattung gerechnet. Das ist Rexrodt in seinem Berliner Landesverband 1995 schon einmal passiert. Der übereifrige FDP-Saubermann saß am Wahlabend mit 2,5 Prozent und haufenweise unbezahlten Rechnungen da. Seine Schatzmeisterin, Heidi Knauthe, klagte zuletzt 2001 darüber, noch immer den damaligen Schuldenberg abbauen zu müssen. Die Partei habe deshalb die Sozialversicherungsbeiträge ihrer Beschäftigten nicht ordnungsgemäß abführen können. Aber über solche Fehltritte verliert man in der FDP heute kein Wort.


 
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