© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/02 08. November 2002

 
Ein freier Demokrat
Nachruf: Zum Tode von Winfrid Hedergott
Christian Vollradt

Am 24. Oktober verstarb im Alter von 83 Jahren der niedersächsische Freidemokrat Professor Winfrid Hedergott. Von 1951 bis 1970 und noch einmal von 1974 bis 1978 gehörte Hedergott dem niedersächsischen Landtag an, zeitweilig war er Vizepräsident des Hauses sowie Fraktionsvorsitzender der FDP. In dieser Partei übte er zahlreiche Vorstandsämter auf Landes-und Bundesebene aus. Bereits während seines Studiums in Göttingen beschloß der 1919 im brandenburgischen Bernau geborene Jurist, der als hochdekorierter Fernaufklärer aus dem Krieg heimgekehrt war, nach seinen eigenen Worten "im politischen Bereich ein Praktiker zu werden".

Neben seinen Mandaten im Landtag gehörte er mehr als drei Jahrzehnte dem Rat seiner Heimatstadt Northeim südlich von Hannover an. Zeitweilig war er dort Stadtrats-Beigeordneter und füllte auch das Bürgermeisteramt aus. Die Heimatstadt verlieh ihm unter anderem wegen seiner Verdienste um die Errichtung des Naherholungsgebietes Northeimer Seenplatte die Ehrenbürgerwürde.

Seit 1971 hatte Hedergott einen Lehrauftrag am Institut für politische Wissenschaften der Universität Hannover inne, für dessen erfolgreiche Wahrnehmung er den Titel eines Honorarprofessors erhielt. In seiner Abschiedsvorlesung über "Verfassungsrechtliche Probleme in Niedersachsen", die er nicht nur als Politiker, sondern auch als Mitglied des Staatsgerichtshofes kannte, legte Hedergott den Zuhörern noch einmal seine im besten Sinne des Wortes liberalen Grundeinsichten dar. Freimütig bekannte er sich dazu, weder Berührungsängste mit kommunistischen Abgeordneten, noch mit denen der rechten Parteien (darunter NPD-Chef Adolf von Thadden) verspürt zu haben. Mit Sorge und Skepsis verfolgte der überzeugte Demokrat jedoch schon damals die Parteiverbotsverfahren, die seiner Meinung nach eine politische Auseinandersetzung verhinderten. So stellte er fest: "Das Parteienprivileg wurde durch die Erfindung der verfassungsfeindlichen Partei unterlaufen." Auch den sogenannten Radikalenerlaß zu Zeiten der Brandt-Regierung hielt Hedergott für verfassungswidrig.

Die immer stärkere Rolle der Parteien sah er, ähnlich wie der Parteienkritiker Hans-Herbert von Arnim, mit Skepsis: "Die Parteien haben sich den Staat weitgehend zur Beute gemacht, mit steigender Tendenz", bekannte er 2000 im JF-Interview (7/00). Noch im hohen Alter erhob er seine Stimme, wenn er Freiheitsrechte bedroht sah; seine Unterschrift unter dem "Appell für die Pressefreiheit" der JUNGEN FREIHEIT und sein Engagement als Kommanditist dieser Zeitung geben davon Zeugnis ab.

Das herausragende Wirken Hedergotts für sein Land wurde mit zahlreichen Ehrungen, darunter dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern, dem Großen Verdienstkreuz Niedersachsens und dem Ehrenpokal der Luftwaffe gewürdigt. Zur letzten Ruhe wird der begeisterte Wassersportler Hedergott seinem Wunsch entsprechend auf See bestattet.


 
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