© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/02 08. November 2002

 
Technologien: Robert-Koch-Preis an Rudolf Jaenisch
Es war einmal ein Menschheitsretter
Angelika Willig

Wenn früher alles besser war, dann war auch die Medizin besser, jedenfalls heroischer. Oder könnte man sich vorstellen, über einen heutigen Stammzellforscher einen Film zu drehen wie den über Robert Koch von 1939? Manche halten es sogar für ein Sakrileg, wenn Rudolf Jaenisch vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) den diesjährigen Robert-Koch-Preis kassiert für etwas, das er in Deutschland gar nicht hätte tun dürfen, nämlich Klonen. Allerdings nur bei Mäusen und auch da nur therapeutisches Klonen. Trotzdem würde ein Film über Rudolf Jaenisch im deutschen Fernsehen wohl eher eine Tatort-Folge als ein Revival der Reihe "Große Männer" werden. Der 60jährige Preisträger beschäftigt sich damit, von den einzelnen Mäusen erbidentische Kopien herzustellen, die aber gar nicht erst heranwachsen dürfen, sondern schon im embryonalen Frühstadium als universell verwendbare Stammzellen ausgeschlachtet werden. Machte man das gleiche mit Menschen, wären gleich zwei ethische Übereinkünfte verletzt. Erstens der "vernutzte" Embryo und zweitens das Klonen. Medizinisch läßt sich allerdings beides rechtfertigen, die Verwendung von Embryonen deshalb, weil es immer noch keine gleichwertige Produktion von Stammzellen gibt, das Klonen, weil nur identische Zellen vom Organismus problemlos zu integrieren sind. Eine Therapie ist aber nicht der einzige Grund, mit dem Klonen fortzufahren. Es besteht auch die Tatsache, daß menschliche Zellen sich gerade im Hinblick auf das enthaltene Erbgut ganz anders verhalten als die von Labortieren. Spezifisch menschliche Verhaltensweisen lassen sich nur an menschlichen Zellen studieren. Daher findet Jaenisch die Idee mit den Klonen ausgesprochen nützlich: "Am Menschen können wir nicht experimentieren, an Zellen schon." Es ist dann nur die Frage, wie viele Zellen es mindestens sein müssen, um die Kategorie Mensch zu eröffnen.

Da hatte es Robert Koch entschieden besser. Sein Kampf gegen die Bakterien war eine klare Sache, das Feindbild eindeutig bestimmt und vom Volkskörper deutlich geschieden. Selbst wenn eine Lunge von zahlreichen Tuberkelbakterien bewohnt wird, ist doch immer zu unterscheiden, wo steht der Feind, wo stehen wir. Krankheiten mit dieser Struktur, also die sogenannten Infektionskrankheiten, spielen heute keine so große Rolle mehr. Zwar hat gerade die Tuberkulose in den letzten zwanzig Jahren massiv zugenommen, obwohl man sie längst besiegt glaubte. Doch sind die Gründe nicht medizinischer, sondern sozialer Natur. Die Ansteckungen rühren meist von osteuropäischen und anderen Einwanderern her, die in ihren Ländern aus finanziellen Gründen nicht behandelt wurden. Was uns heute wissenschaftlich interessiert, ist die Degeneration von Zellen und die Wechselwirkung von genetischen und Umweltursachen bei diesem rätselhaften Geschehen. Kein Krieg, sondern eher eine Beziehungskiste.


 
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