© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/02 15. November 2002

 
Schuß nach hinten
Berliner CDU: Die innerparteiliche Kritik an Fraktionschef Frank Steffel wächst sich zu einem dauerhaften Führungsstreit aus
Ronald Gläser

Am Abend der Bundestagswahl schien das politische Schicksal Frank Steffels bereits entschieden. Die Gegner des glücklosen Fraktionsvorsitzenden und ehemaligen Spitzenkandidaten der Berliner CDU hatten schon lange die Messer gewetzt. Das katastrophale Abschneiden der Union in der Hauptstadt (25,4 Prozent) war Anlaß genug, den Fraktionschef auszuwechseln.

Daß es nicht dazu kam, verdankt Steffel einem seiner Gegenspieler, dem erst im Frühjahr ins Amt gewählten CDU-Landesvorsitzenden Christoph Stölzl (JF 22/02). Ausgerechnet der liberale Stölzl rettete Steffels Kopf, indem er mit einer unbedachten Äußerung den Unmut inner- und außerhalb der CDU auf sich lenkte. Stölzl hatte den rot-grünen Wahlsieg mit der Kriegseuphorie 1914 und dem Wahlsieg der NSDAP 1932 verglichen.

Unter dem Druck der politischen Linken auf Stölzl wurde der CDU-interne Putsch gegen Frank Steffel zunächst abgesagt. Der 35jährige Unternehmer tat nach der Wahlniederlage das Seine, um die Wogen der gedemütigten Berliner CDU zu glätten. Er ging auf die Parteilinke zu, indem er seine Mitarbeit in dem von der Bundesvorsitzenden Angela Merkel initiierten "Arbeitskreis Städte" anbot.

Der innerparteiliche Friede hielt indes nur wenige Wochen. Zunächst forderte der CDU-Bundestagsabgeordnete Günter Nooke den Rücktritt Steffels wegen dessen "schlechter Umfragewerte." Ein unverkäufliches Produkt müßte aus dem Regal entfernt werden, auch wenn es ganz toll sei, so der Ex-Bürgerrechtler.

Dann meldete sich Steffel mit einem Thesenpapier zur "Zukunft der CDU als Oppositionspartei" zu Wort. Doch was als Befreiungsschlag gedacht war, ging als Schuß nach hinten los. Weil er darin den Eindruck erweckte, die Berliner CDU habe in den letzten Jahrzehnten eine "sprunghafte Klientelpolitik" betrieben, zog er sich den Zorn der Altvorderen zu. Eberhard Diepgen, langjähriger Landesvorsitzender und bis zu seinem Sturz 2001 Regierender Bürgermeister, warf Steffel "intellektuelle Unzulänglichkeit" vor. Auf Distanz ging auch der ehemalige Wirtschaftssenator Elmar Pieroth, der bei Steffel ein Image- und Vermittlungsproblem ausmachte. Pieroths Nachfolger Wolfgang Branoner brachte sogar erneut einen Führungswechsel in der Fraktion ins Gespräch. Doch der immer wieder als Gegenkandidat zu Steffel gehandelte frühere Finanzsenator Peter Kurth will augenscheinlich erst dann antreten, wenn er sicher sein kann, auch gewählt zu werden. Noch aber weiß Steffel eine Mehrheit der 35 Abgeordneten seiner Fraktion hinter sich.

Diese Mehrheit könnte jedoch schnell bröckeln. Inzwischen üben weitere Abgeordnete und Kreisvorsitzende offen Kritik an dem Thesenpapier Steffels. Das Papier sei "völliger Unsinn", wagte sich der Pankower Kreischef René Stadtkewitz aus der Deckung.

So in die Kritik geraten, ging Steffel Anfang der Woche in die Offensive. Er kündigte seine Kandidatur für den Rundfunkrat des neuen Senders Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) an. In der fusionierten Sendeanstalt von SFB und ORB verfügt die CDU nur über einen Sitz, und diesen beanspruchte die bisherige SFB-Rundfunkrätin Monika Grütters. Frau Grütters ist Steffels Stellvertreterin an der Spitze der CDU-Fraktion. Die Frontfrau des liberalen CDU-Flügels ist auch eine seiner prominentesten Kritikerinnen. Schnell wurde die Abstimmung zur Vertrauensfrage hochstilisiert. Von 34 anwesenden Abgeordneten stimmten am Dienstag nur 18 für Steffel, 13 votierten für Monika Grütters. Zwei Abgeordnete enthielten sich, ein Stimmzettel war ungültig. Knapper hätte die Wahl für den Fraktionschef kaum ausgehen können.


 
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