© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/02 15. November 2002

 
BLICK NACH OSTEN
Antifaschistisches "U"-Verbot
Carl Gustaf Ströhm

Tief in der Tito-Ära ereignete sich in den Räumen des da-mals durchaus regimekonformen kroatischen Schriftstellerverbandes zu Zagreb ein unerhörter Vorfall. Ein serbischer Gast aus Belgrad - seinerseits ein Schriftsteller der "mittleren Garnitur", riß die Tür zum Sekretariat auf und erschreckte die dort amtierenden Vorzimmerdamen mit seiner lauthals gerufenen Frage: "Wo ist denn hier euer diensthabender Ustascha?"

Wer die Ustascha einst waren, was sie im Zweiten Weltkrieg angerichtet haben und wie sie 1945 endeten - darüber gab es im titoistisch-kommunistischen Jugoslawien nur eine Antwort: Sie waren verachtenswerte Kollaborateure der Deutschen, die allesamt den Tod verdienten. Das "Bertelsmann-Lexikon Geschichte", Auflage 1996, urteilt da immerhin differenzierter.

Auf Seite 774 liest man dort: "Ustascha - kroat. 'Aufstand'. Kroatische nationalistische Bewegung, 1929 gegründet, gegen die serbische Hegemonie in Jugoslawien gerichtet, herrschte unter A. Pavelic 1941 - 1945 mit deutsch-italienischer Protektion im selbständigen Staat Kroatien..."

Derzeit hört man aus Zagreb, die linksgerichtete Regierung plane ein Gesetz, durch welches das Tragen oder Zeigen von Ustascha-Symbolen sowie die "Verherrlichung" des Ustascha-Staates unter Strafe gestellt werden sollen. Damit reagiert das Kabinett des Ex-Kommunisten Ivica Racan einesteils auf eine Anzahl von Jugendlichen, die bei Rockkonzerten - etwa des nationalkroatischen Jugendidols "Thompson" - mit dem "U" auf T-Shirts oder Baskenmützen erscheinen (siehe JF 45/02).

Allerdings haben, wie Befragungen zeigten, die jungen Leute oft nur nebulöse Vorstellungen, was sich hinter diesem ominösen Buchstaben verbirgt. Sie merken nur eines: Sobald irgendwo jemand mit einem solchen "U" auftaucht oder es an eine Wand malt, stehen Behörden und linke Medien Kopf.

Während man mit Stalin- oder Tito-Bildern und KP-Emblemen keinen Hund hinter dem Ofen hervorlockt (eine Ausnahme bilden nur einige nostalgische Altpartisanen) sind sich die jungen "U"-Protagonisten ihres Erfolges sicher. Manchmal sieht es aus, als reagierten die Jungen auf diese Weise ihren Frust, ihre Unzufriedenheit und Wut an den herrschenden Strukturen ab. Die Kommunisten haben in den Jahrzehnten ihrer Herrschaft das "Ustascha"-Problem derart verfälscht und dämonisiert, daß sie damit das Interesse für diese verbotene Frucht erst recht weckten.

Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt: die kroatische Linke - meist aus KP-Kadern hervorgegangen - legitimiert sich neuerdings durch den "Antifaschismus", weil keiner von ihnen mehr zugeben möchte, einst der totalitären kommunistischen Bewegung gedient zu haben. Wenn man sich aber als "Antifaschist" in Szene setzen will, muß es doch auch Faschisten geben - in diesem Falle: "Ustascha"-Anhänger, gegen die man zu Felde zieht, dazu noch unter dem Beifall des Westens. So entsteht der Eindruck, die Initiatoren des neuen Gesetzes wollten ein an sich kaum existierendes Problem aufblasen, um mit Hilfe dieses "Antifaschismus" an der Macht zu bleiben.

Daß im Frühjahr 1945 die kommunistischen Tito-Partisanen blutige Rache nahmen, so etwa beim Massaker von Bleiburg an den Angehörigen der kroatischen Nationalarmee, soll hingegen - fast wie zu kommunistischen Zeiten - möglichst verdrängt werden. Schauprozesse, wie 1946 unter anderem gegen den antikommunistischen Erzbischof Stepinac, sind allerdings nicht zu erwarten.


 
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