© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/02 15. November 2002


Blick in die Medien
Verboten
Ronald Gläser

Letzten Sonntag leistete die Bild-Zeitung der ARD kräftige Schützenhilfe. Bild und Tatort gehören zur Massenunterhaltung wie Bundestag und Bundesrat zur politischen Struktur der Bundesrepublik. Groß und fett titelte die Boulevardzeitung: "Heute nicht Tatort sehen!" Mit einem zweiten Blick auf das Blatt bilden wir uns eine Meinung. Die Zeitung warnt vor Suizidszenen, die "Jugendliche gefährden" würden. Also machen wir am Sonntagabend das, was wir seit Mitte der Neunziger nicht mehr gemacht haben, und schalten das Erste ein. Es ist ein langweiliger Krimi - Tatort eben. Die angeblich schrecklichen Selbstmordszenen heben sich nicht vom täglichen Allerlei der Informationsgesellschaft ab. Was also soll diese Panik bei Bild? Wenn die Kollegen mit moralischen Maßstäben das deutsche Fernsehen durchforsten würden, dann müßten sie täglich dazu aufrufen, RTL2 nicht einzuschalten. Aber natürlich ist - dank der Bild-Propaganda - das geschehen, was zu erwarten war: Der Tatort wurde von 13,8 Prozent der relevanten Zuschauer gesehen. Damit lag die ARD zwar hinter Bruce Willis' "The Sixth Sense" auf ProSieben und etwa gleichauf mit RTL. Aber geschadet hat es der Quote nicht. Bild-Leser tun eben genau das Gegenteil von dem, was ihnen gesagt wird. Diese Haltung erinnert an das Verhalten kleiner Kinder. Diese lesen zwar nicht Bild, aber sie sehen gerne Harry-Potter-Filme. Für dessen neueste Abenteuergeschichte hat die FSK das Alter heraufgesetzt - wegen angeblich brutaler Szenen. Sicherlich wird er trotzdem ein Erfolg.


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