© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/02 22. November 2002

 
Das Licht aus dem Norden
Nationale Identität: Die Ausstellung "Jugendstil in Finnland" im Berliner Bröhan-Museum
Hagen Weimar

Daß Licht nicht nur von Osten kommt, zeigt eine sehenswerte Ausstellung im Berliner Bröhan-Museum, nahe am Charlottenburger Schloß. Gezeigt wird der Reichtum des finnischen Jugendstils um 1900, dessen Glanz an ein Goldenes Zeitalter denken läßt und der selbst Kunsthistoriker überrascht.

Architekturzeichnungen, Möbel, Textilien, Keramik, Bucheinbände, Skulptur und vor allem Gemälde zeigen anschaulich den Geist einer eigentümlichen Nationalromantik, die, in Europa etwas verspätet, schönste Blüten trug.

Jede Kunst ist eng mit der Geschichte verwoben. 1809 geriet Finnland nach Jahrhunderten schwedischer Herrschaft unter russische. Anfänglich beließ das Riesenreich dem kleinen Land große Freiheiten, versuchte jedoch zum Jahrhundertende hin eine starke Russifizierung. Gegen diese Politik und ebenso gegen die alteingesessene schwedische Oberschicht setzten die Finnen ihren Selbstbehauptungskampf. Am wichtigsten wurde dabei ihre Kunst. Aus den mittelalterlichen Wurzeln ihrer Geschichte, wie auch aus Themen des altfinnischen Epos "Kalevala" entwickelten sie eine nationale Bildsprache.

Die zum Studium in Europa ausgeströmten Künstler orientierten sich zunächst an der vorherrschenden französischen Malerei der Moderne. Noch bis zum Weltkrieg war Paris Mittelpunkt aller Kunst. Aber auch nach Deutschland knüpften siie Kontakte. Heimgekehrt, wurden die Eindrücke in einen typisch finnischen Ausdruck umgewandelt. Vor dem bald auftretenden Weltstil, dem heute alles erlegen ist, gelang hier noch einmal ein einheitlicher Nationalstil, mit einem bestimmten Charakter in der Erscheinung. Aus einer erzählenden Breite, die besinnlich meist einfache Motive darstellt, wächst das Eigentümliche in klaren Formen. Darüber liegt leise Schwermut und Stille. Man höre die Finlanda-Sinfonie von Sibelius, um sich darauf einzustimmen.

Einige Bilder seien vorgestellt. Auf Helene Schjerfbecks "Das genesene Kind" von 1888 finden wir das seelenvolle Porträt eines Kindes, dessen unbewußter Blick aus großen Augen auf eine Blume fällt.

Wie eine Anklage wirken dagegen die traurigen blauen Augen in dem rußgeschwärzten Gesicht eines blondgesträhnten Mädchens auf Eero Järnefelts "Rodung" von 1893. Aus der Trauer des Blickes spricht schon die Erfahrung von der Härte des Lebens.

1903 malte Hugo Simberg "Der verwundete Engel": Auf zwei Holzstangen wird ein Engel mit verbundenen Augen wie ein Kranker von zwei Knaben durch eine Landschaft getragen. Schmerzlich blickt der hintere Träger zu uns herüber. Es ist, als trügen die beiden eine zerbrochene Muse.

Axel Gallen-Kallela war die Hauptgestalt der Nationalmalerei Finnlands, er schuf ihr Kunstideal. "Ich liebe das Leben nicht als das, was es ist, sondern als das, was es sein sollte. Es gibt keine Masse, mit der man die Kraft meiner Sehnsucht nach dem wesentlichen Leben messen könnte", schrieb er schon in seiner Jugend. Es gibt keinen besseren Antrieb der Kunst. Sein Bild eines Aktmodells "Demasquee" von 1888 dient der Ausstellung als Aufmacher. Ein junges Mädchen sitzt hingestreckt auf einem roten Diwan. Trotz seiner Nacktheit schaut es dem Betrachter ohne Koketterie in die Augen. Vor ihm lehnt eine Gitarre - als Hinweis auf die Musen. Daneben ragen schlank zwei Lilien, als altes Symbol der Unschuld. Erst später entdeckt man den Totenschädel im Hintergrund, das alte Motiv: Der Tod und das Mädchen.

Das Streben nach Unabhängigkeit bekräftigten die Finnen in ihrer Kunst. Auf der Pariser Weltausstellung 1900 ereichten sie damit den Höhepunkt ihrer Selbstdarstellung. Kunst wurde ihnen Möglichkeit, nationale Identität auszudrücken. Diese wirkt bis heute fort.

 

Die Ausstellung "Das Licht kommt jetzt von Norden - Jugendstil in Finnland" ist im Bröhan-Museum, Schloßstr. 1a, bis zum 2. März 2003 zu sehen. Info: 030 / 32 69 06-00, Internet: www.broehan-museum.de  

Akseli Gallen-Kallela, "Kullervon Kirous" (1899): "Ich liebe das Leben nicht als das, was es ist, sondern als das, was es sein sollte. Es gibt keine Masse, mit der man die Kraft meiner Sehnsucht nach dem wesentlichen Leben messen könnte."


 
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