© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/02 22. November 2002


Religionen: Eine Sternenfahrt durch die Institutionen
Das Evangelium nach George Lucas
Silke Lührmann

Ein ketzerischer Geist spukt durchs Weltnetz, das Credo des Jedi. Ihren Anfang nahm die Irrlehre dort, wo Wasser in die falsche Richtung strudelt und die Sonne mittags im Norden steht: Kurz vor der Volkszählung am 6. März 2001 empfingen Tausende Neuseeländer eine E-Mail, in der sie aufgefordert wurden, "Jedi" als ihre Religion anzugeben, sofern sie sich mit keinem anderen Glaubensbekenntnis identifizierten. "Mach' es, weil Du schon seit Deinem sechsten Lebensjahr davon träumst, ein Jedi zu sein - oder einfach, um ein paar Bürokraten zu ärgern!" Falls mindestens 8.000 der 3,8 Millionen Bürger diese Angabe machten, hieß es in der E-Mail, würde der Jediismus in Neuseeland als offizielle Religion anerkannt.

Schneller, als man "Obi-Wan Kenobi" sagen kann, hatte sich die Kunde schon ans andere Ende der Welt verbreitet. In England und Wales, wo ebenfalls eine Volkszählung anstand, brauchte eine neue Religion angeblich 10.000 Mitglieder. Die dortigen Zuständigen waren Kummer gewohnt und sahen dem Heiligen Papierkrieg gelassen entgegen. Erfahrungsgemäß, so ein Sprecher des Londoner Innenministeriums, schrieben "eine Menge Leute, die offensichtlich nicht religiös sind, ihren Fußballverein auf solche Fragebögen. Deshalb registrieren wir Manchester United noch lange nicht als Kirche."

Im August dieses Jahres machte der Jediismus wieder Schlagzeilen, als die Ergebnisse des australischen Zensus veröffentlicht wurden: 70.509 Menschen hatten sich dort zu seinen Dogmen bekannt. Um die fünftausend von ihnen seien hard-core followers, "eingefleischte Anhänger", die diesen Glauben tatsächlich praktizierten, schätzt Chris Brennan, der Präsident von Star Walking Inc. (SWI), der Australian Star Wars Appreciation Society, die sich die Verehrung von George Lucas' "Krieg der Sterne"-Filmen auf die Vereinsbanner geschrieben hat. "Weitere 50.000 sind Fans, die sich gesagt haben: Ach ja, warum nicht aus Spaß Jedi hinschreiben, eine andere Religion haben wir sowieso nicht. Und die übrigen 15.000 wollten wohl dem Staat eins auswischen."

Gerüchten zufolge soll Lucas' Kollege und Freund Francis Ford Coppola ihm einst spaßeshalber vorgeschlagen haben, dem Beispiel des Scientology-Begründers L. Ron Hubbard zu folgen und auf der Philosophie, die er für seine Science-Fiction-Reihe erfunden hatte, eine religiöse Bewegung aufzubauen: "Religion, das ist echte Macht", habe der Regisseur von "Apocalypse Now" und dem "Paten" gesagt und Lucas ihm geantwortet, Macht interessiere ihn nicht.

Eine Machtprobe hatten dagegen die Initiatoren jener virtuellen Missionierung im Sinn, die das Evangelium nach Lucas in möglichst viele vernetzte Haushalte bringen wollten. Man könnte auch sagen, es ging ihnen darum, das anarchische Potential der Spaßgesellschaft, ihre spielerische Protestbereitschaft gegen staatliche Obrigkeit zu aktivieren: Wie weit ist es wirklich her mit der vielbeklagten Manipulation durch die Massenmedien? Wie viele Menschen lassen sich mit einem solchen Anliegen erreichen oder gar überzeugen? Ist "May the Force be with you" ein zeitgemäßes Amen für Atheisten?

Für Außenstehende gleicht die Besessenheit, mit der hartgesottene "Krieg der Sterne"-Fans - ähnlich wie die Trekkies der "Raumschiff Enterprise"-Gemeinde - seit Jahrzehnten ihrem Hobby frönen, in der Tat religiösem Eifer. Im Internet haben sie nicht nur ein spirituelles Zuhause gefunden, sondern auch das ideale Forum, ihre Traditionen zu pflegen. Organisationen wie SWI, deren Mitglieder als Luke Skywalker, Obi-Wan Kenobi, Han Solo, Yoda oder Darth Vader verkleidet zu den regelmäßigen Tagungen erscheinen, verfolgen die Entstehung jedes Films der insgesamt neunteiligen Serie voller Sorge um die Reinheit der Doktrin und bombardieren Lucas mit Beschwerden über den Titel der neuen Folge oder die allzu kitschige Liebesgeschichte zwischen Anakin Skywalker und Prinzessin Padme Amidala. Auf seiten wie "The Jedi Creed" legen Jedi Winter Heart und Jedi Mitth'raw'nurida den Lucas'schen Kanon aus, während andere Jedi-Master Bruce-Lee-Filme empfehlen und Nachhilfe in asiatischer Kampfkunst geben. Für deutsche Netz-Pilger hat ein 18jähriger Gymnasiast die Elf Gebote des Jediismus niedergeschrieben ( www.hiqworld.de/gjedi.htm ): "Ein Jedi empfindet keinen Haß. ... Ein Jedi stellt das Wohl anderer über sein eigenes."

In Lucas' Filmreihe schützen die Jedi-Ritter das Empire vor den Mächten der Finsternis. Wie einst König Artus' Tafelrunde kämpfen sie für das Gute, sind aber gegen die Versuchungen des Bösen nicht gefeit. Jene Kraft, die stets mit ihnen sein möge, ist eine poppig-bunte Mischung fernöstlicher Einflüsse: ein bißchen Zen, ein bißchen Kendo, ein bißchen High-Tech. Sie fechten mit Laserstrahlen, beherrschen die Psychokinese, und vor allem sind sie unendlich weise.

Bei der Auswertung des englischen Zensus wurde den Jedi-Rittern - genauso wie auch den Druiden oder den Hexen, den Heiden, Satanisten und den Mitgliedern der "Church of Free Love" - immerhin ein eigener Nummerncode zugeteilt, während sie down under als "nicht definiert" in die Annalen eingehen. Ein irgendwie gearteter offizieller Status sei damit keinesfalls verbunden, betonten die Behörden, sondern ihre Erhebung habe lediglich statistischen Wert. Der Leiter des australischen Zensusamtes John Struik drohte gar, Falschaussagen mit einem Bußgeld von 570 Euro zu ahnden. Da die Angabe der Religionszugehörigkeit bei allen drei Zählungen auf freiwilliger Basis geschah, ist eine strafrechtliche Verfolgung jedoch unwahrscheinlich.

Im medialen Wirbel um die Aktion wurden indes auch warnende Stimmen laut. "Blödsinnige Antworten zu geben, um gegen das Gefühl zu protestieren, daß wir nur Ziffern sind, mag uns eine kurzfristige Illusion der Kontrolle über unser Geschick verschaffen", gesteht die Mythenforscherin Barbara Mikkelson zu, hält das Verhalten der Beteiligten aber für "gedankenlos". Denn "Regierungen brauchen akkurate Daten, um sozialen Fortschritt zu erwirken".

Die tiefste Weisheit, die sich aus dem Schrifttum der Jedi-Jünger ziehen läßt, findet man ausgerechnet auf der "Jedi Creed"-Heimseite. Dort wird allen Benutzern folgende Warnung auf den Weg gegeben: "Bedenkt, daß die Seite zuletzt im August 2000 aktualisiert wurde. Das Leben hat mehr zu bieten, als sich im Netz herumzutreiben."


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