© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/02 29. November 2002

 
Zwei Milliarden Euro zuviel
Bundesrechnungshof: Der Jahresbericht 2002 legt offen, daß bei den öffentlichen Ausgaben massiv gespart werden könnte
Peter Freitag

Am 19. November legte der Bundesrechnungshof seinen Jahresbericht für 2002 vor. Darin werden, unterteilt in 121 Einzelbeiträge, Fehler bei der Verwendung öffentlicher Mittel aufgelistet, sowie Vorschläge für eine wirtschaftliche Verwaltung unterbreitet. Der Bericht ist eine der Grundlagen für die Entlastung der Regierung durch das Parlament (Bundestag und Bundesrat). Die nach Ansicht der Prüfer vermeidbare Belastung für den Bundeshaushalt belief sich demzufolge im untersuchten Zeitraum auf eine Höhe von insgesamt zwei Milliarden Euro, wobei davon etwa eine Milliarden Euro durch mögliche Einsparungen oder Mehreinnahmen längerfristig wirksam sind. Dieter Engels, Präsident des Bundesrechnungshofes, wies bei der Vorstellung des Berichtes auf dessen Funktion hin: Er sei Informationsquelle für politische Entscheidungsträger bei der Bewertung der Arbeit der Exekutive, er diene als Beratung für eine effizientere Verwaltung und als Mahnung zur Abwendung absehbarer Fehlentwicklungen.

Nicht so sehr das mit spektakulären Beispielen untermauerte Anprangern der vermeintlich allgegenwärtigen öffentlichen Verschwendung stehe dabei im Vordergrund, so Engels, sondern vielmehr der Anspruch, die politisch Handelnden auf die finanziellen Folgen ihrer Beschlüsse aufmerksam zu machen. Der größte Teil der kritisierten Mehrausgaben sei auf mangelnde "Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen" zurückzuführen, so der Präsident der Bonner Behörde.

Hauptkritikpunkt in dem Bericht war wieder einmal, daß 73 Prozent der gesamten Steuereinnahmen des Bundes für Sozial- und Zinsausgaben aufgewendet werden müssen, so daß immer weniger Spielraum für investive Ausgaben verbleibt. Auch merken die Prüfer an, daß der Anteil kreditfinanzierter Ausgaben beim Bund wesentlich höher liegt, als beim Durchschnitt der Bundesländer. Auch bei der Einnahmenseite moniert der Bericht eine zu große Nachlässigkeit der Regierung; so heißt es unter anderem: "Den Möglichkeiten, Fälle von grenzüberschreitendem Umsatzsteuerbetrug zu verfolgen und damit erheblichem Schaden für die öffentliche Hand entgegenzuwirken, wurde zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Die notwendigen Vereinbarungen mit anderen EU-Staaten über die gegenseitige Verfolgung solcher Straftaten stehen immer noch aus."

Geschenke zur "MitarbeiterMotivation" wurden gekauft

Einzelne Fälle, in denen öffentliche Gelder unsachgemäß oder in zu hohem Umfang verwandt worden sind, zählt der Bericht explizit auf. Dazu gehören unter anderem diese: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (ehemals Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) wurde zwischen 1998 und 2001 mit einer viel zu aufwendigen Computerausstattung ausgerüstet. Die Kosten beliefen sich auf insgesamt 5,1 Millionen Euro. Hinzu kam noch die Anschaffung von Speichersystemen für alle 32 Außenstellen, obwohl längst klar war, daß acht von ihnen geschlossen werden. Ohne ausreichende Begründung wurde die Behörde mit 1.400 Flachbildmonitoren in Sondergröße mit einem Gesamtaufwand von 1,9 Millionen Euro ausgestattet. Kritisiert wird außerdem die Praxis des Bundesamtes, Geschenke und Werbeartikel zur "Mitarbeitermotivation" anzuschaffen.

In 400 Fällen wurden im Jahre 2000 Mietbeiträge nach dem Bundesumzugskostengesetz in Höhe von 760.000 Euro aus dem Haushalt des Innenministerium ausgeschüttet; ein Viertel der Bezieher gehörte allerdings zu den einkommensstarken Gruppen, die auch nach Wegfall der Zahlungen die entsprechende Immobilie halten konnten, auf die Zuschüsse also eigentlich nicht angewiesen waren.

Die Förderung sogenannter "Deutsch-russischer Häuser" zur kulturellen Breitenarbeit für die deutsche Minderheit in Ländern der ehemaligen Sowjetunion kostete insgesamt zehn Millionen Euro. Der Rechnungshof stellte bei Planung und Durchführung dieser Arbeit allerdings immer wieder Mängel fest und monierte, daß finanzielle Einsparungen zugunsten der deutschen Seite bei Verhandlungen mit den Russen nicht durchgesetzt worden seien. Nicht in allen Fällen, so der Bericht, werde die Zweckbestimmung der Einrichtung eingehalten. Ebenso wies der Bericht auf Koordinationsschwächen bei der Gewährleistung von Deutschunterricht in Polen hin, die für Kosten über den tatsächlichen Bedarf hinaus verantwortlich seien.

Im Bereich der Bundesanstalt für Arbeit bemängelt der Rechnungshof die häufige Mißachtung des Lohnabstandsgebots: Die Entlohnung von ABM-Kräften darf nicht mehr als 80 Prozent des Entgelts für ungeföderte Arbeit umfassen. Die Bemessung richtet sich in der Praxis nach den Tariflöhnen; da in den neuen Bundesländern aber meist untertariflich bezahlt wird, ist der Abstand zwischen ABM-Entgelt und Löhnen aus nicht geförderter Arbeit zu gering. Auch hier bestehen laut Bericht Einsparmöglichkeiten.

Beim Bundesministerium für Verteidigung sehen die Prüfer die 16 Millionen Euro, die allein im Jahr 2000 für den Unterhalt von fünf zivilen zweimotorigen Transportmaschinen des Typs Do 228 aufgebracht werden mußten, als vermeidbar an. Zwei der Propellerflugzeuge seien von der Marine nur zur Meeresverschmutzung im Auftrag des Verkehrsministeriums eingesetzt, eine zur "VIP"-Beförderung und zwei für weitere zivile Transporte eines Bundeswehramtes. Nach Ansicht des Rechnungshofes seien die Maschinen für militärische Aufträge der Bundeswehr entbehrlich.

Eine weitere Fehlinvestition in Höhe von 4,3 Millionen Euro war die Anschaffung von Trinkwasserfiltergeräten, deren Verfahren die Grenzwerte um das 300fache überstiegen.

Mangelnde Koordinierung der Informationsarbeit

Beim Auswärtigen Amt sieht man die 4,6 Millionen Euro, die ein Grundstückskauf für die Deutsche Schule in Genua 1995 verursachte, fehlinvestiert, da der Bedarf aufgrund des Schülerrückgangs nicht mehr besteht, das Grundstück also nicht bebaut wurde. Versuche, es wieder zu veräußern, schlugen bisher fehl. Als unsinnige Einrichtung bezeichnen die Bonner Prüfer die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (DGVN), die vom Ministerium im letzten Jahr 600.000 Euro Fördermittel erhielt, ohne einen eigenen Beitrag zur Finanzierung zu leisten. Der Zweck der DGVN, nämlich über die Arbeit der Vereinten Nationen zu informieren, werde schon von anderen Stellen ausreichend übernommen. Die mangelnde Koordinierung der Informationsarbeit ist auch ein wesentlicher Kritikpunkt an der Regierung. Denn immer noch betreibe jedes Ministerium eine eigene Informationsstelle, um die Öffentlichkeit über die Arbeit des Hauses in Kenntnis zu setzen, bzw. verdeckt Wahlkampf zu betreiben (was der Rechnungshof allerdings nicht moniert). Die Forderung, das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung solle das sogenannte "Corporate Design" vereinheitlichen und Veröffentlichungen zentralisiert vornehmen, wurde laut Bericht noch nicht umfassend realisiert.


 
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