© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/02 29. November 2002

 
Zurück zum Schmusekurs
Katholische Kirche: Im Erzbistum Berlin wechselt nach nur zehn Monaten erneut der Chefredakteur der "Kirchen-Zeitung"
Benjamin Keck

Erst zum 1. Februar dieses Jahres gab es eine neue Leitung in der Katholischen Kirchen-Zeitung des Erzbistums Berlin. Nun erfolgt zum 1. Dezember ein erneuter Wechsel: Pfarrer Andrej Nicolai Desczyk stellt nach nur zehn Monaten sein Amt wieder zur Verfügung.

Die kurze Zeit reichte Pfarrer Desczyk aus, um sich im linkskatholischen Milieu zahlreiche Feinde zu machen. Schon in der Ausgabe vom 24. Februar lobte Desczyk den neuen Kirchenbau der traditionalistischen Priesterbruderschaft Pius X. und ließ den Architekten Alexander von Schönburg ausführlich zu Worte kommen. Zwei Monate später stach Desczyk nochmals in ein Wespennest: Er übte scharfe Kritik an der katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) und deren Forderungen nach dem Priestertum der Frau. Eine Flut von Leserbriefen (pro und contra) erreichte die Redaktion der Kirchen-Zeitung. Ein Kurswechsel schien gekommen: Für die einen Grund zum Jubel, für die anderen Grund zum Protest. Für Gesprächsstoff sorgten auch die wöchentlichen Kurzbeiträge Desczyks, die er auf der letzten Seite in der "linken Ecke" (so betitelt) positionierte - die aber manchem Leser alles andere als links vorkamen.

Endlich schien eine deutsche Kirchenzeitung den Weg aalglatter Schönrednerei zu verlassen und heiße Eisen anzupacken - immer vom katholischen Standpunkt aus. Die Kirchen-Zeitung des Erzbistums Berlin gewann an Unterhaltungswert und konservativem Profil.

Jetzt hat Kardinal Georg Sterzinsky, Erzbischof von Berlin, die Bremse gezogen. Er wünscht einen anderen Kurs für seine Zeitung. Andrej Nicolai Desczyk gibt das Amt des Koordinators ab und übernimmt zum 1. Dezember die Pfarrei St. Marien in Berlin-Steglitz. Die Bistumsleitung sieht für ihre Zeitung offensichtlich nicht die Notwendigkeit pointiert-katholischer Standpunkte. Sie will lieber wieder den Schmusekurs fahren.


 
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