© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/02 06. Dezember 2002


Liberaler Selbstmord
von Detlef Kühn

Es kam, wie es kommen mußte: Jürgen W. Möllemann stand im Mittelpunkt des FDP-Parteitages in Düsseldorf, ohne anwesend zu sein. Ein Teil der Delegierten artikulierte ihr Unbehagen wegen des brutalen Umgangs des Establishments mit einem, der immerhin dreißig Jahre lang zu ihnen gehört hatte. Dann wurde im zweiten Wahlgang Andreas Pinkwart mit knapper Mehrheit zum neuen Landesvorsitzenden gewählt. Der Professor mit dem Spezialgebiet "Chaostheorie" verdankt sein Bundestagsmandat nicht zuletzt der Mobilisierungskampagne, die Möllemann zum Vorwurf gemacht wird. Er hat sich rechtzeitig von einem Landesvorsitzenden abgesetzt, mit dem er lange zusammengearbeitet hatte. Nun ruhen weniger die Hoffnungen der FDP-Basis als die der Parteiführung auf ihm.

Gegen Möllemann wird ein Parteiausschlußverfahren betrieben, nachdem er sich nicht dem neuen Ehrenkodex der FDP beugen und politischen Selbstmord durch Austritt begehen wollte. Dieses Verfahren kann sich hinziehen und sein Ausgang ist nicht sicher. Es gibt Möllemann Gelegenheit, noch die eine oder andere Leiche aus dem Keller seiner innerparteilichen Gegner ans Tageslicht zu zerren.

Zufrieden werden die Grünen sein, die im Kampf um die linke Mitte die FDP abhängen und ihren Platz als dritte Kraft festigen können. Von Dauer dürfte dieser Erfolg nicht sein; denn in den Augen der ratlosen Wähler steht inzwischen das ganze Parteiensystem auf dem Prüfstand.


 
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