© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/02 06. Dezember 2002


Im Schwitzkasten
USA wollen deutsche Beteiligung am drohenden Irak-Krieg
Alexander Griesbach

Wir haben es alle noch in den Ohren: eine deutsche Beteiligung an einem möglichen Krieg gegen den Irak, so Bundeskanzler Gerhard Schröder im Bundestagswahlkampf, werde es nicht geben. Angeblich, so ließ sich die rot-grüne Bundesregierung immer wieder vernehmen, wurden alle US-Anfragen zur Beteiligung an einem Irakkrieg abgelehnt. Es gebe von deutscher Seite keine Raketenabwehrsysteme, keine ABC-Kräfte und auch keine Militärpolizei.

Seit dem medienträchtigen Händedruck zwischen US-Präsident George W. Bush und Bundeskanzler Schröder beim Nato-Gipfel im November 2002 in Prag sieht die Welt freilich anders aus. Denn die seitdem angeblich wiederhergestellten "normalen Arbeitsbeziehungen" zu den USA, die US-Verteidigungsminister Rumsfeld aber immer wieder in Frage stellt, haben einen hohen Preis. Deutschland wird sich zwar nicht direkt an einer möglichen Bombardierung des Iraks oder an einem Bodenkrieg beteiligen.

Dennoch wird es in ganz erheblichem Maße in einen Irak-Krieg involviert werden. Vereinbart wurden die freie Nutzung der US- und britischen Stützpunkte in der Bundesrepublik sowie deren Schutz. Schröder versprach die "Gewährung von Überflugrechten für die USA und die Nato-Mitgliedsstaaten, die das wünschen". Darüber hinaus wurden der reibungslose Transit für Truppen der USA und der Nato-Mitglieder, die Nutzung der US-Militäreinrichtungen in Deutschland durch die USA sowie deren Schutz vereinbart. Desweiteren sollen auch deutsche Offiziere in AWACS-Überwachungsflugzeugen eingesetzt werden.

Alle diese Leistungen werden unter den Begriff "Bündnisverpflichtungen" subsumiert. Dazu gehört wohl auch der mögliche Einsatz deutscher Fuchs-Spürpanzer, die derzeit in Kuwait stationiert sind. Der deutsche Verteidigungsminister Peter Struck sagte seinem US-Amtskollegen Donald Rumsfeld zu, die Einsatzfähigkeit der ABC-Abwehrfahrzeuge in Kuwait wiederherzustellen. Doch damit nicht genug: Der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ulrich Klose (SPD), sieht diese Panzer schon auf irakischem Territorium rollen: "Wenn biologische oder chemische Waffen im Grenzbereich von Kuwait eingesetzt werden", so erklärte Klose, "müssen Spürpanzer helfen." Inwieweit vor diesem Hintergrund die Erklärung des Bundeskanzlers, daß die ABC-Fuchs-Spürpanzer der Bundeswehr bei Kampfhandlungen nicht zur Verfügung stehen würden, ihre Gültigkeit behält, bleibt vor diesem Hintergrund abzuwarten.

Dazu kommt nun noch der Schachzug der USA auf die Anforderung von "Patriot"-Raketen und "Fuchs"-Truppentransportern von seiten Israels. Zu dem entsprechenden Ansinnen ließ der Bundeskanzler verlauten, es handele sich dabei um eine bereits zwei Jahre alte Anfrage, die jetzt erneuert worden sei. "Wir werden mit der israelischen Regierung nun darüber reden", sagte Schröder, "unter welchen Bedingungen im Interesse Israels und der Sicherheit seiner Bürger geholfen werden kann." Dazu sei Deutschland aus moralischen wie historischen Gründen verpflichtet und auch bereit. Schröder betonte die ausschließlich defensive Einsatzmöglichkeit der "Patriot-Raketen", die nicht für Angriffe nutzbar seien.

Die USA dürften den Wunsch der hochgerüsteten Israelis wohl auf ihre Art und Weise forciert haben. Die "Patriots" sind militärisch gesehen weit weniger effizient als das "Arrow"-System Israels. Hier geht es aber nicht um militärische Argumente. Ziel ist es ganz offensichtlich, Deutschland Stück für Stück zu Vasallendiensten in einem kommenden Irakkrieg zu verpflichten. Diesem Ziel ist die USA inzwischen ein erhebliches Stück näher gekommen.

Bevor überhaupt der erste Schuß gegen den Irak gefallen ist, wurde in den letzten Wochen bereits auch über das Thema Wiederaufbauhilfe verhandelt, für die, inzwischen schon aus Tradition, insbesondere die Deutschen "geworben" werden sollen. Schröder versuchte das Thema mit dem Argument, daß die Bundesregierung zuvorderst daran arbeite, kriegerische Konflikte zu verhindern, vorerst wegzubügeln. Allerdings wollte die Bundesregierung zumindest eine mögliche Bundeswehrpräsenz im Irak im Rahmen einer dem Krieg nachfolgenden Friedensmission, ähnlich dem Vorbild Afghanistan, auch nicht kategorisch ausschließen.

Diese Vorgänge im Zusammenhang mit der Vorbereitung eines Krieges gegen den Irak zeigen deutlich die Konturen der "neuen Nato" nach US-amerikanischen Vorgaben. Gemäß der neuen Doktrin der Nato wird nicht mehr nur der Angriff auf einen Mitgliedsstaat kollektiv beantwortet, sondern auf jegliche "Gefahr einer Aggression" gemeinsam reagiert. Vor diesem Hintergrund ist auch die im November in Prag auf dem letzten Nato-Gipfel beschlossene Eingreiftruppe im Planungsumfang von etwa 21.000 Elitesoldaten zu sehen. Damit wird aus dem regional begrenzten Verteidigungsbündnis Nato ein globales Interventionsbündnis, das ganz im Sinne der US-Sicherheitsdoktrin auch "präventive" Angriffskriege nicht ausschließen will. Daß derartige Kriege völkerrechtswidrig sind, stört die Architekten der "New World Order" inzwischen offensichtlich nicht mehr.


 
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