© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/02 13. Dezember 2002

 
Freiheit ohne Ethik
Tierschutz: Verbände und EU kritisieren WTO-Regeln
Volker Kempf

Nationales Tierschutzrecht ist an die entsprechenden Regelungen der Europäischen Union gebunden. Über beidem steht die Welthandelsorganisation (WTO), die sich dem Freihandel verschrieben hat. Am Ende bleibt der kleinste gemeinsame Nenner. Daher ist inzwischen die in Genf residierende WTO für Tierrechtler das größte Hindernis bei der Herstellung rechtsstaatlicher Verhältnisse in der Mensch-Tier-Beziehung. Denn Bemühungen um den Tierschutz sind auf EU-Ebene durchaus auszumachen, diese scheitern aber an der 1995 errichteten UN-Sonderorganisation WTO.

Wie Stephanie Eisner in der jüngsten Mitteilung des Bundesverbandes der Tierversuchsgegner e.V. mitteilt, der sich kurz "Menschen für Tierrechte" nennt, besteht die WTO darauf: "... daß der freie Handel in jedem Fall Vorrang vor den Tierschutzbestimmungen in der Europäischen Union genießt."

Demzufolge darf die EU Importe aus eindeutig ethischen Gründen nicht verbieten. Vielmehr müsse die EU die Einfuhr von Fleisch oder Eiern aus Anlagen hinnehmen, welche EU-Standards nicht genügen. Damit sei eine "Nivellierung verbunden, die tierschutzethischen Ansprüchen Hohn spricht", schreibt der Vorsitzende vom Politischen Arbeitskreis für Tierrechte in Europa (PAKT e.V.), Edgar Guhde, im aktuellen Jahrbuch "Naturkonservativ heute".

Die detaillierten Folgen dieses nivellierenden Prinzips wurden letzte Woche von den "Menschen für Tierrechte" auf ihrer Pressekonferenz in Brüssel mit einem Filmbeitrag aufgezeigt:

- Die EU hat das bereits 1993 beschlossene Verbot des Verkaufs von Kosmetikprodukten, die an Tiere getestet wurden, immer noch nicht in Kraft treten lassen.

- Die EU wird das ab 2012 geltende Verbot der herkömmlichen Käfigbatteriehaltung noch einmal überprüfen;

- Die EU ließ das Einfuhrverbot für Felle aus Ländern, die immer noch Tellereisen zum Fang der Tiere verwenden, fallen;

- Die WTO besteht auf dem Import von Rindfleisch, für das in der EU verbotene Wachstumshormone eingesetzt wurden - Analoges gilt für gentechnisch veränderte Pflanzen sowie für Tiertransporte.

Vor diesem Hintergrund fordern die Verbände PAKT e.V. und "Menschen für Tierrechte", daß Tierschutzstandards in die Regeln internationaler Handelsabkommen aufgenommen werden. Mit dieser Auffassung stehen die Tierrechtler nicht alleine da. Denn eine kürzlich veröffentlichte Studie, die im Auftrag der EU-Kommission erstellt wurde, hat ähnliche Schlußfolgerungen gezogen. Auch hier wird in Sachen Tierethik festgestellt, daß der Freihandel der Ergänzung durch internationale Handelsregeln bedarf, mit denen Tierschutzbestimmungen nicht einfach unterlaufen werden können.

Damit sehen sich die Tierrechtler in ihrer Auffassung bestätigt, daß eine "Rechtsstaatliche Offensive Tierschutz" auf allen nationalen und internationalen Ebenen vorangebracht werden müsse. Hierzu sei aber auch eine "Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger, die Bewußtseinsbildung über die Medien nötig", so der PAKT-Chef Guhde in seinem Jahrbuchbeitrag.


 
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