© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/02 20. Dezember 2002 / 01/03 27. Dezember 2002

 
Schlechte Kopie der Grünen
FDP: Die Krise der Liberalen ist mit einem Ausschluß Möllemanns keineswegs beendet / Zitterpartie bei Landtagswahlen
Paul Rosen

Was sich wie ein Krimi mit Geldkoffern, Nummernkonten und Dunkelmännern anhört, ist in Wirklichkeit nicht nur der sich dahinquälende letzte Akt im Jürgen-Möllemann-Theater, sondern eine Sinnkrise des deutschen Liberalismus. Die FDP, die im 20. Jahrhundert mit Theodor Heuss und Erich Mende (um nur zwei Persönlichkeiten zu nennen) hervorragende politische Repräsentanten in die Parlamente entsandte, steht heute vor der Erkenntnis, daß all ihre Strategien gescheitert sind. Weil die derzeitige Führung mit dem Bonner Rechtsanwalt Guido Westerwelle an der Spitze sich nicht zu einer eindeutigen politischen Haltung bekennen mochte, verhielt sich der Wähler konsequent und schickte die Liberalen bei der Bundestagswahl auf den vierten Platz hinter den Grünen. Wären jetzt wieder Wahlen, müßte Westerwelle um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen.

Daß Möllemann eines Tages in der FDP scheitern mußte, war voraussehbar. Wer sein Verhalten richtig interpretiert, muß zu der Erkenntnis kommen, daß der Mann, der als Wirtschaftsminister sogar Vizekanzler von Helmut Kohl war, nichts anderes als politische Clownerien im Kopf hatte und sein Programm und Konzept lediglich aus dem Begriff "Möllemann" bestand. Das Publikum, auch das politische, mag Gags, Sketche und Provokationen. Wer jedoch nur davon lebt und sonst keine Substanz vorweisen kann wie Möllemann, muß den Grad der Provokation immer weiter erhöhen, muß immer neue Tabus brechen. Im Bereich der Politik landet man dann zwangsläufig im größten deutschen Tabubereich, dem Nationalsozialismus.

Möllemanns israelkritische Haltung gründet sich im wesentlichen auf seine langjährige Tätigkeit in deutsch-arabischen Gremien und nicht zuletzt in seinen Geschäftsbeziehungen in diese Region. Keineswegs ist die Wurzel seiner Kritik zum Beispiel am Vizepräsidenten des Zentralrates der Juden, Michael Friedman, auf den im deutschen linken Milieu vorzufindenden Antizionismus zurückzuführen. Mit rechten Gedanken hatte Möllemann, der, wenn er sich mal inhaltlich äußerte, stets für die sozialliberale Linie stand, ohnehin nichts im Sinn. Daß Möllemann eine neue Partei gründen wird, ist nicht auszuschließen. Doch unter Möllemann würde es keine nationalliberale Partei werden. Damit würde die neue Gruppierung das Schicksal früherer linker FDP-Abspaltungen nehmen und in der Bedeutungslosigkeit enden.

Egal, ob Westerwelle seinen früheren Freund Möllemann nun per Ausschlußbeschluß loswird oder nicht --die Krise der FDP ist mit dem Abschluß des Parteigerichtsverfahrens noch lange nicht beendet. Westerwelle hatte die Liberalen in völliger Verkennung der Sachlage in einen Spaßwahlkampf hineingeführt, den erst die Elbeflut zu stoppen vermochte. Ein klares Bekenntnis, wohin der Kurs der Liberalen führt, kam von ihm nicht. Der Wähler konnte nur ahnen, daß die FDP vermutlich wieder mit der Union gehen würde, Das "Projekt 18", also die frühere Möllemann-Idee, aus der FDP eine den großen Parteien Union und SPD vergleichbare Volkspartei zu machen, wurde faktisch schon während des Wahlkampfes aufgegeben, Steuersenkungen hatten auch alle anderen Mitbewerber auf dem Plan. Das Image der reinen Wirtschaftspartei hatte die FDP längst abgelegt. Wollte sie es wieder anlegen, fehlten ihr aber auch die überzeugenden politischen Repräsentanten. Der letzte war Otto Graf Lambsdorff, der sich längst im Ruhestand befindet, Westerwelle ersetzte Kurs und Programmatik durch Talk-Show-Auftritte.

In ihrem Auftreten wird die FDP als eine Art verbürgerlichte Ausgabe der Grünen geortet, aber ohne die in die Jahre gekommenen "Bürgerschreck"-Politiker. Besonders der bayerische Landesverband, der von der früheren Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger geführt wird, bemüht sich, eine Kopie der Grünen zu sein. Bei den Bundestagswahlen folgte mit nicht einmal fünf Prozent für die weiß-blaue FDP prompt die Quittung. Besser sind die beiden Landesverbände dran, die unmittelbar vor den Landtagswahlen stehen. In Hessen setzte sich die Landesvorsitzende Ruht Wagner nicht zum ersten Mal vom Kurs der Bundespartei ab und führt einen unabhängigen Wahlkampf, um das Bündnis mit Roland Koch fortsetzen zu können. Doch die Hypotheken einer politisch nicht mehr auf die Beine kommenden Bundes-FDP und der Möllemann-Affäre könnten die hessische FDP scheitern lassen. Ohne Leihstimmen von der CDU könnte es für Frau Wagner knapp werden.

Noch weniger rosig sieht es für die niedersächsische FDP aus, die bei der letzten Wahl nur ganz knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war. Ihr Spitzenkandidat ist der eher farblose Walter Hirche. In dieser Situation hat die niedersächsische FDP das einzig Richtige getan und eine Koalitionsaussage für die CDU getroffen. Das könnte ihr in den Landtag verhelfen.

Selbst Erfolge bei den beiden am 2. Februar stattfindenden Wahlen werden der FDP nicht aus der Krise helfen. Ihr Vorsitzender Westerwelle ist verschlissen. Ernsthaft politische Arbeit wird ihm nicht zugetraut. Angesichts des wirtschaftlichen Niedergangs, des Zusammenbrechens der Sozialsysteme und der drohenden Zerrüttung des politischen Systems ist kein Platz mehr für Spaßpolitiker. Offen wird bereits über eine Ablösung Westerwelles spekuliert. Wer weiß, wie launenhaft FDP-Parteitage sein können, wird nicht ausschließen wollen, daß die Liberalen im nächsten Frühjahr einen anderen Vorsitzenden haben werden.

Aber die große Frage, wo die FDP steht, wird auch mit einem Austausch des Vorsitzenden nicht beantwortet. Dabei wäre in Deutschland viel Platz für eine Partei, die sich der Gesundung der Wirtschaft verschreibt und Hüterin des Rechtsstaates wäre. Denn von vielen unbemerkt, schreitet die Entrechtlichung voran. Der Bürger hat heute regelmäßig zu beweisen, daß er unschuldig ist. Mit jedem neuen Strafgesetz wird die in einer Demokratie beim Staat zu liegende Beweislast stärker auf den Bürger abgewälzt.

Auch für nationale Themen ist in der demokratischen politischen Landschaft Platz, und sei es nur die Förderung des Gedankens, daß die Abtretung immer neuer Kompetenzen an die nur geringer Kontrolle unterliegende EU-Kommission in Brüssel dem Demokratiegebot widerspricht. Es ist viel Platz für Liberale in Deutschland.


 
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