© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/02 20. Dezember 2002 / 01/03 27. Dezember 2002

 
"Amerikaner sind hier unerwünscht"
Korea: Präsidentschaftswahlen im Süden von antiamerikanischen Protesten begleitet / Nord-Korea weiter in Isolation
Alexander Röhreke

Die Irak-Krise verstellt den Blick auf einen ebenso brisanten Fall im Fer-nen Osten. Die Rede ist von Korea, wo im Süden des seit 1953 geteilten Landes am 19. Dezember Präsidentschaftswahlen stattfinden. Sie werden überschattet von zwei Entwicklungen, die keine günstige Prognose für die Zukunft der Halbinsel zulassen.

In Süd-Korea demonstrieren seit Tagen Zehntausende gegen die amerikanische Militärpräsenz im Lande, seitdem zwei US-Soldaten von einem Militärgericht vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen worden sind. Sie hatten zwei südkoreanische Schülerinnen mit ihrem gepanzerten Fahrzeug überrollt. Viele Geschäfte, Restaurants und Vergnügungscenter, die von US-Soldaten bislang frequentiert worden waren, haben Schilder aufgestellt: "Amerikaner sind hier unerwünscht." Antiamerikanismus ist zum Wahlthema geworden und viele Wähler haben auf Befragungen hin erklärt, daß sie ihre Wahlentscheidung davon abhängig machen, wie die Präsidentschaftskandidaten mit dem Thema umgingen.

Während der Süden sich im Wahlfieber befindet, macht der Norden das Eingeständnis, sein Atombombenprogramm in Verletzung des Abkommens von 1994 nicht beendet zu haben: Gegen Lieferung von Nahrungsmitteln, Öl und dem Bau von zwei Leichtwasserreaktoren zur Sicherstellung des nordkoreanischen Energiebedarfs sollte Pjöngjang auf sein Nuklearprogramm verzichten. Von US-Präsident George W. Bush als Teil der "Achse des Bösen" bezeichnet, stand Diktator Kim Jong-il unter Druck. Obwohl die Reisen des südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-jung im Juni 2000 und des japanischen Premiers Koizumi im September 2002 jedesmal als Beginn einer Tauwetterperiode begrüßt wurden, zeigten sich sehr bald die Grenzen der "Sonnenscheinpolitik": Seoul und Tokio lieferten Nahrungsmittel, Öl und andere Güter und erhielten im Gegenzug kleinere humanitäre Erleichterungen, wie interkoreanische Verwandtschaftsbesuche und die Heimkehr von fünf überlebenden japanischen Entführungsopfern, die Nordkorea nach 24 Jahren des Leugnens die vorübergehende Ausreise in ihre Heimat gestattet hatte.

Raketen als wichtigster Devisenbringer Nordkoreas

Als Japan die freie Ausreise der Kinder und Eheleute forderte sowie Informationen über acht verstorbene Opfer und 80 weitere Vermißte, reagierte Pjöngjang negativ und beschuldigte Japan des Vertragsbruchs. Die Anknüpfung von Beziehungen zu Japan war kurz nach einem verlustreichen Seegefecht zwischen nord- und südkoreanischen Schnellbooten im Juni 2002 erfolgt. Jetzt droht aber Nord-Koreas Versuch, aus der Isolierung herauszukommen, zu scheitern.

Die Durchsuchung des nordkoreanischen Frachters So San im Indischen Ozean, der versteckt Scud-Raketen geladen hat, durch die spanische Marine, wirft ein Licht auf den wichtigsten Devisenbringer Nordkoreas: Die Produktion von Raketen für Länder, die sonst nirgendwo kaufen können. Angeblich verdient Pjöngjang damit die Hälfte seiner mageren Exporteinnahmen von einer Milliarde US-Dollar im Jahr.

Nach der Erklärung der USA, kein Öl mehr an Nordkorea wegen Vertragsbruchs zu liefern, hat Pjöngjang die Wiederaufnahme seines Atomprogramms in einem 1994 stillgelegten Reaktor eingeleitet. Pjöngjang hatte früher seine Plutoniumproduktion immer wieder als Druckmittel eingesetzt, um ökonomische Vorteile zu erhandeln. Jetzt fordert es, von den USA als gleichberechtigte Atommacht anerkannt zu werden. Die USA ihrerseits lehnen Verhandlungen ab und bezeichnen die Aufbringung der So San als Warnung an den Norden, die Geduld Washingtons nicht zu strapazieren.

Neben dem erwähnten Reaktor hat Nord-Korea in Kusong, nördlich von Pjöngjang, einen Forschungskomplex, wo nach Ansicht der CIA während des jetzt gescheiterten Moratoriums offenbar an der Bombe weitergebastelt worden sein soll: Nordkorea soll über mindestens zwei Atombomben verfügen und weitere zwei pro Jahr bauen können. Kombiniert mit Mittelstreckenraketen ist dies eine Bedrohung Südkoreas und Japans, wo die US-Basen liegen, über die ein Entsatz Südkoreas im Falle eines Krieges logistisch laufen müßte.

In dieser zugespitzten Lage schickt sich Südkoreas Opposition an, einen Machtwechsel herbeizuführen. In den August-Zwischenwahlen konnte die Große Nationalpartei (GNP) elf von 13 zu vergebenden Parlamentssitzen erringen, ein herber Rückschlag für Kim Dae-jungs regierende Demokratische Millenniumspartei (MDP). Nur in Kim Dae-jungs Heimat im Südwesten konnte die MDP zwei Sitze verteidigen.

Der GNP-Kandidat, Lee Hoi-chang, ein ehemaliger Richter und Ministerpräsident, war bei der Präsidentenwahl 1997 Kim Dae-jung unterlegen. Umfragen sehen ihn vor dem MDP-Kandidaten und Bürgerrechtsanwalt Roh Moo-hyun, der aber bei einer Mehrzahl der Wähler als persönlich sympathischer gilt. Während Roh die "Sonnenscheinpolitik" gegenüber dem Norden fortführen möchte, schließt Lee eine "Politik der Schwäche" aus und sieht sich durch die jetzige Entwicklung bestätigt. Lee wird aber auch größere Nähe zu den USA nachgesagt und das könnte ihm derzeit zum Nachteil gereichen. Roh hingegen leidet unter seiner Nähe zur MDP, die von Korruptionsaffären geschüttelt wird.

Wer auch immer die Wahl gewinnt, wird ein Amt erben in einem Land, das die finanziellen Auswirkungen der Asienkrise vor wenigen Jahren überwunden zu haben scheint, dessen politische Zukunft aber von der Lage im Norden überschattet wird: Dort steht das letzte stalinistische Regime der Welt mit dem Rücken zur Wand und hängt von dem Willen eines schwer berechenbaren Mannes ab, der über den Schatten seines verstorbenen Vaters hinauswachsen möchte, aber nicht kann: Kim Jong-il, den die täglichen Proteste gegen die USA in Seouls Straßen hoffentlich nicht zu falschen Schlußfolgerungen verleiten.


 
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