© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/02 20. Dezember 2002 / 01/03 27. Dezember 2002

 
Leserbriefe

Zu: "Das deutsche Trauma" von Dieter Stein, JF 50/02

Verdienste und Genugtuung

Den Vertriebenen und Bombenopfern sei die Genugtuung unbenommen, die sie verspüren, wenn ihre Leiden im und nach dem Zweiten Weltkrieg endlich auch einmal von deutscher Seite gewürdigt werden. Doch ist der spektakuläre Erfolg von Jörg Friedrichs Buch über den alliierten Luftkrieg offenbar nur auf drei glückliche Umstände zurückzuführen. Erstens passierte es unbeanstandet die Vorzensur, die alle deutschen Publikumsverlage gnadenlos gegen Bücher ausüben, deren Autoren angeblich rechts von der Mitte stehen, weil der bisher weithin unbekannte Friedrich offenbar über eine eher links gestrickte Biographie verfügt. Friedrichs Buch erschien zweitens im Propyläen Verlag, der bekanntlich dem Haus Springer angehört, so daß sich drittens die Bild-Zeitung seines Inhaltes annahm. So ist das Thema unversehens ein Boulevard-Thema geworden, über das man gefahrlos und in großer Aufmachung schreiben und sprechen darf.

Horst Boog hat neben den Verdiensten auch die Schwächen des Buches aufgezeigt: Es bringt nicht nur nichts Neues. Es verschweigt vielmehr sogar eine Reihe von grundlegenden Aspekten, die untrennbar zum Thema Luftkrieg und Terror gehören - zum Beispiel das Problem Kriegsverbrechen. Schließlich scheint Friedrich auch in einer Reihe von Irrtümern zu verharren, die bereits die bisherige Literatur im negativen Sinne ausgezeichnet haben. Ist darin wirklich jener "Mut" zu erkennen und jene "Mentalitäts-Wende" zu sehen, von der Dieter Stein begeistert schreibt? Ist es richtig, im "Krebsgang" von Günter Grass und im "Brand" von Jörg Friedrich bereits einen Trend zu sehen, der zu mehr Wahrheit und Gerechtigkeit bei der Beurteilung der deutschen Geschichte führen wird?

Wenn erst einmal deutsche Soldaten als Söldner des US-amerikanischen Dominators an militärischen Interventionen in aller Welt teilnehmen, werden uns Luftkrieg und Bombenterror als die normalste Sache der Welt erscheinen.

Wie der zur Zeit zunehmende Unmut gegen Bushs kriegerische Irak-Politik in den Vereinigten Staaten zeigt, wird die Kritik jedoch eher aus Amerika selbst als aus Deutschland kommen, das - Grass hin, Friedrich her - in seiner politischen Korrektheit verharrt.

Dr. Dirk Bavendamm, Reinbek

 

 

Zu: "Moralisch kompromittiert", Interview mit Sir Max Hastings, JF 50/02

Ergänzungen

Herr Hastings sagt zum Beispiel, daß die ursprüngliche Hoffnung von Churchill und Harris war, daß Deutschland der Fähigkeit den Krieg weiter fortzuführen beraubt werden könnte und begründet so den Luftterror. Das ist falsch, denn schon am 10. November 1932 sprach Lord-Präsident Staatsrat Baldwin im Unterhaus unter anderem davon, daß Angriff die einzige Verteidigung sei, "das heißt, man muß mehr Frauen und Kinder töten als der Feind, wenn man sich selber schützen will."

Vorausgegangen war die Ergebnislosigkeit der Konferenz von Genf über die Herabsetzung und Begrenzung von Rüstungen im Februar 1932. Unmittelbar darauf begann die britische Luftrüstung. Im September 1939 wurden Wilhelmshaven und Cuxhaven bombardiert. Am 12. Januar 1940 fielen erste britische Bomben auf einen deutschen Ort, Westerland auf Sylt. Im Dezember, Januar und März folgten weitere Angriffe. Deutsche Gegenangriffe gab es am 16. März 1940, abends, auf einige Flugplätze auf den Orkney-Inseln im Rahmen der Kämpfe gegen die englische Flak bei Scapa Flow. Nicht nur die Amerikaner sind Heuchler.

Harald Reuter, Großhansdorf

 

Tatsachen

Sir Max Hastings ist zuzustimmen, wenn er die Amerikaner als Heuchler bezeichnet. Am 23. September 1937 schrieb die New York Times: "Die US-Regierung ist der Ansicht, daß jede Bombardierung von dicht besiedelten Gebieten, in denen die Zivilisten ihre friedlichen Ziele verfolgen, gegen die Gebote der Menschlichkeit verstößt." Allerdings galt dieser Protest damals nur den japanischen Bombenangriffen auf China!

Hastings irrt, wenn er von der "Vernichtung" Coventrys spricht. Es handelt sich um keinen Terrorangriff angelsächsischer Art, da nur militärische Ziele ausgesucht wurden. 380 Menschen kamen ums Leben. Die Kathedrale wurde zufällig getroffen.

In Nürnberg wurde kein deutscher U-Boot-Kommandant angeklagt. Der einzige angeklagte U-Boot-Kommandant war Kapitänleutnant Heinz-Wilhelm Eck vom U-582, der schon im November 1945 vor einem britischen Militärgericht in Hamburg verurteilt wurde. Er wurde mit zwei Kameraden erschossen.

Friedrich Karl Pohl, Lüneburg

 

 

Zu: "Kolossalgemälde des Schreckens" von Horst Boog, JF 50/02

Mord bleibt Mord

Der JF gebührt Dank, daß sie dem Militärhistoriker Horst Boog ausreichend Raum gibt, sich zum Thema Bombenkrieg mit wissenschaftlicher Intensität zu äußern. Das unsägliche Leid der Opfer zu beschreiben ist ein notwendiger Aspekt, unabhängig davon, welche Motivlage zum Völkermord führte. In größerem Rahmen ausgedrückt: Mord bleibt Mord , egal ob aus Rassenwahn oder Klassenwahn begangen.

Es ist Oberflächengeplätscher, wenn Literaten oder Politiker solche Unterscheidungen nicht wahrnehmen. Der Herausgeber einer führenden Sonntagszeitung schrieb mir: "Moral ohne Wahrheit ist keine Moral." In dem Klima gedeihen dann Bücher, die der Bildersprache des Fernsehens untergeordnet sind. In diesem Klima fand ein Herr Weizsäcker in seiner Rede zum Kriegsausbruch rasenden Beifall, obwohl ihm die Tagebucheintragung seines Vaters bekannt war. "Das plötzliche Entgegenkommen Stalins hat unser Schicksal besiegelt."

Hermann E. Pieper, Dortmund

 

Mehr Details

Auch als Laienhistoriker gibt es kaum ein Werk, in welchem man auf keine Fehler stößt. So möchte ich die Fehlerliste von Dr. Boog ergänzen. Auf Seite 63 stellt Friedrich die gefallenen britischen Besatzungen (55.000) den getöteten deutschen Opfern des Luftkrieges gegenüber (420.000 - 570.000). Hier kommt er zu einer falschen Relation, denn die amerikanischen Besatzungsverluste müssen hinzugerechnet werden - oder gibt es noch eine zweite deutsche Opferzahl für die amerikanischen Angriffe? Dabei scheint mir die Zahl von rund 500.000 Ziviltoten auf die sich fast jeder Historiker beruft fragwürdig.

Tieffliegerangriffe soll es laut Boog, der sich auf Schatz beruft, auf die Elbwiesen in Dresden nicht gegeben haben. Bei Middlebrook/Everitt steht in "The Bomber Command War Diaries" wörtlich: "Part of the American Mustang-fighter escort was ordered to strafe traffic on the roads around Dresden to increase the chaos." Und straffe(n) bezieht sich auf das deutsche Wort bestrafen und gilt heute noch in der Nato als Fachbegriff für die Kanonenübung auf Erdziele (im Zweiten Weltkrieg auch Maschinengewehr) von Jagdbombern. Auch hier ist eine gewissenhafte Nachforschung offensichtlich erforderlich.

Meine Tante wurde eben nicht als OP-Schwester in einem Lazarett durch eine Fliegerbombe befreit, sondern elendig umgebracht. Friedrich sei Dank gesagt für sein Schildern der Zusammenhänge und des Leids, welches ich als Kind teilweise erlebt habe und aus Briefen und Erzählungen von Zeitzeugen her kenne.

Jobst von Bülow, Berlin

 

 

Zu: "Brutaler Überfall" von Claus-M. Wolfschlag, JF 49/02

Wichtiger Bericht

Ich danke Ihnen, daß Sie über den grauenhaft-bestialischen Überfall auf den Kommunalpolitiker der Republikaner im nordhessischen Neustadt, Günter Hämer, berichtet haben. Diese Meldung hätte einen Platz auf Seite eins verdient, damit den vielen sich vorgeblich um Moral und gute Sitte sorgenden "guten Menschen" der etablierten Parteien nicht entgeht, welche Saat sie säen, die oft schon aufging, aber nie die Medien berührte oder den Kanzler (wie im Falle Sebnitz) veranlaßte, die Angehörigen der Opfer aufzusuchen, ihnen sein Mitgefühl auszusprechen. Kein Aufschrei der Empörung in der Presse auch bei diesem an Abscheulichkeit nicht mehr zu überbietenden blutigen Überfall aus dem Hinterhalt, höchstens eine kleine Notiz über eine "Auseinandersetzung" - so "vorsichtig" reagiert unsere Presse in derartigen Fällen. Ich bin sicher: Die Täter riskieren, sollte man sie fassen, wenig. Man wird ihnen wohl ebenso wie beim Berliner Prozeß gegen die im Jahre 1994 sehr milde bestraften Mörder des Gerhard Kaindl (REP) entlastend unterstellen, sie hätten sich im Bewußtsein der "rechtsextremistischen Gesinnung" des Opfers provoziert gefühlt.

Dietmar Neumann, Neu Wulmstorf

 

 

Zu: "Wieso hat man mich nicht angerufen", Interview mit Aubert Lemeland, JF 48/02

Beeindruckend

Sehr beeindruckt hat mich das Interview mit Herrn Aubert Lemeland. Auch der Name Mitterand taucht dabei auf. Ich möchte, bezogen auf Mitterand, folgendes ergänzen: Er war Zwangsarbeiter (Kriegsgefangener) in Deutschland. Nach dem Krieg suchte er seinen ehemaligen Arbeitgeber in Franken auf, um sich für die gute Behandlung zu bedanken!

Günter Schönewolf, Wiesbaden

 

 

Zu: "Diplomatische Farce" von Michael Wiesberg, JF 47/02

Eins nach dem anderen

Natürlich ist das Ganze eine Farce. Die Amerikaner werden den Irak bekriegen. Und wenn Irak besiegt ist, kommt der nächste Schurkenstaat an die Reihe, solche gibt es ja "en masse". Die Amerikaner geben es ja selber zu, man braucht doch nur die Reden von Bush lesen, die in der Schrift "The National Security Strategy of the United States of America" veröffentlicht sind.

Oder die Schriften von Paul Kennedy. Sie wollen die Kontrolle über die Ölproduktion der ganzen Welt besitzen, um dann die Welt zu beherrschen. So weigern sie sich jetzt, Nordkorea mit Öl zu versorgen, weil die Regierung dort nicht den Wünschen der amerikanischen Regierung nachkommt.

Ausgenommen ist Israel. Gerade der Staat, der bisher die meisten Resolutionen der Uno verworfen hat. Shamir konnte sich seinerzeit erlauben, die Uno zu verhöhnen, indem er sagte, die Resolutionen der Uno werden in den Archiven verstauben wie alle früheren.

Georg Wiesholler, Ottobrunn

 

 

Zu: "Keine grundsätzliche Richtungsänderung" von Ivan Denes, JF 47/02

Über'n Jordan getrieben

Scharon ein Rechtsextremist? Soll das etwa ein Vorwurf sein? Was ist nur so verwerflich daran, wenn ein israelischer Ministerpräsident bestrebt ist, ein Ziel zu erreichen, das insgeheim wohl auch das Ziel des israelischen Volkes ist: Israel über ganz Palästina ausbreiten - in einem Palästina ohne Palästinenser! Und dieses Ziel ist doch nur von einer rechtsextremen Position her möglich.

Vorwerfen kann man ihm allenfalls, daß er dieses Ziel mittels einer Politik erreichen will, die auf die "mörderische zweite Intifada" angewiesen ist, die, um dieses Ziel zu erreichen, die Selbstmordattentate verzweifelter Palästinenser ebenso nötig hat wie der Mensch die Luft zum Atmen. Ein Ziel nämlich, das ja erst erreicht ist, wenn die "friedens- und demokratieunwilligen" Palästinenser über den Jordan oder ins Meer getrieben sind.

Richard Helm, München

 

 

Zur Meldung: "Türkei-Beitritt bedeutet das Ende der EU", JF 47/02

Kurzsichtig

Recht hat Giscard d' Estaing mit seiner Feststellung, ein Beitritt der Türkei wäre das Ende der EU. Wahrscheinlich ist Kleinasien kein europäisches Land, ist nicht geprägt durch abendländische Geschichte und Mentalität, hat eine andere "Leitkultur" als die Menschen Europas; die grüne Fahne des Propheten flattert türkischer Zukunftsvorstellung voran; blauäugige deutsche Kanzler, Kommissare und Kirchenfürsten vom Rhein und seinen Anrainern mit ihren Ministern halten sie für ein Tuch aus Hoffnungsgrün für eine paradiesische Welt wie die Orientalen auch; nur sehen die Ersteren nicht, daß sie unter dieser Fahne die letzten sein werden. Es gehört erst die Altersweisheit des beherzten Franzosen dazu, die Sprengkraft eines solchen Beitritts zu sehen, in einem ohnehin spannungsreichen Völkergewimmel, dem ungefragt das Sternenbanner in runder Form aufgenötigt wird; wobei dieses schon, von konkurrierenden Fäusten bereits allzu vieler Fahnenträger gezaust, zu zerreißen droht, wenn soeben zehn neue ermuntert werden, ihre Hände danach auszustrecken.

Stephanie Heidelmeyer, Alzenau

 

 

Zu: "Vom Sinn des Feierns" von Rolf Sauerzapf, JF 47/02

Verwandelte Hostie

Kirchenrat Dr. Sauerzapf schreibt im Zusammenhang mit dem Fronleichnamsfest vom "demonstrativen Zeigen der Monstranz".

Contradictio ist für diese Wortzusammenstellung zu harmlos ausgedrückt. Warum wird um die (heilige-) Sache herumgeredet? Diesen Stil finde ich zur Genüge in den Lokalblättchen des Ruhrgebietes. Von einer Zeitung Ihres Formats muß man anderes erwarten. Lange Rede - kurzer Sinn: Am Fronleichnamsfest wird den Menschen in der Monstranz die geweihte Hostie gezeigt! Noch besser katholisch ausgedrückt: Die verwandelte Hostie in Christi Fleisch und Blut.

Hermann Kerkenbusch, Oberhausen

 

Unterwanderung

Die Offenbarung eines Geistlichen, daß unsere ursprünglichen Feiertage germanisch-naturreligiös sind, war sehr angenehm. Die Kirche hat die heidnischen Feste nicht "besetzt"? Stimmt! "Unterwandert" scheint zutreffender!

Martin Rogge, Berlin

 

 

Zu: "Konkret Soccer, Ey" von Theo Homann, JF 47/02

Wunderbar!

Ein gut zu lesender und zu tieferem Nachdenken anregender Artikel. Bleibt nur noch die Äußerung des türkischen Nationaltrainers Senol Günes während der WM in Südkorea nachzutragen: "Hier sind wir Gäste, 2006 laden wir ein."

Na denn, vielleicht kommt ja bei der oben angeführten WM in diesem unserem Lande vor jedem Spiel der deutschen und türkischen Nationalmannschaft nach dem Erklingen der jeweiligen Hymne die eine oder andere Sure aus dem Stadionlautsprecher gejodelt. Getreu dem Motto: Mamdullilah, Allah akhbar!

Michael Borgelt, Osnabrück

 

 

Zu: "Der Infarkt des Systems" von Jens Jessen, JF 46/02

Selbst entscheiden

Können Sie sich eine Versicherung vorstellen, bei der Sie nicht entscheiden können, auch nicht entscheiden dürfen, was Sie und wie Sie etwas versichert haben? Als Haustürvertrag würde so etwas sofort verboten. Bei der Renten-, gesetzlichen Kranken- und Arbeitslosenversicherung ist das aber so. Sie dürfen nur bezahlen - wie die Rente aussieht, entscheiden die Politiker. Ich hätte gerne selber ausgewählt, was ich versichert haben möchte, und auch zu welchem Beitrag. Nicht möglich!

Das machen die "Gewählten". Ich glaube es sind die "Auserwählten". Selber können die Politiker schon mit 55 Jahren in Rente gehen, bei Beträgen um 7.000 Euro.

Ich erwarte ein Zehntel von dem Betrag, aber erst mit 65 Lebensjahren. Diese "Auserwählten" können mich wirklich nicht verstehen. Ich hörte vom Minister Blüm über ein Jahrzehnt: "Die Renten sind sicher" und sehe, daß er mich belogen hat. Heute wollen neue Minister und "Gewählte" über meine Versicherung entscheiden. Ich würde mich gerne selber für diese Versicherungen entscheiden.

Uwe Wedekind, Hamburg


 
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