© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/03 03. Januar 2003

 
Das Experiment geht weiter
Schill-Partei: Das neue Jahr wird zeigen, ob die Partei nur ein auf Hamburg beschränktes Protestphänomen ist
Peter Freitag

Am Ende des Jahres 2002 weist die noch junge Partei Rechtsstaatlicher Offensive eine ambivalente Bilanz vor. Nach dem erdrutschartigen Ergebnis bei der Hamburger Bürgerschaftswahl im September 2001 und der Beteiligung am bürgerlichen Senat mit Parteigründer Ronald Schill als Zweitem Bürgermeister und Innensenator folgte die Ausdehnung außerhalb der Hansestadt.

Die Hoffnung, man könne bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt an das hervorragende Abschneiden in Hamburg anknüpfen, erwies sich als trügerisch. Gegen den Willen von Teilen der Führung beschloß die Schill-Partei durch das Votum der Basis das Antreten bei der Bundestagswahl und der mecklenburg-vorpommerschen Landtagswahl im September - wieder ohne Erfolg. Die bundesweit nur 0,8 Prozent waren ein schwerer Dämpfer für alle, die sich Hoffnungen auf frischen Wind im etablierten Parteiengefüge gemacht haben.

Wegen interner Querelen oder Satzungsfragen brauchte es dann nicht selten mehrere Anläufe, um neue Landesverbände zu gründen. Auch zum jetzigen Zeitpunkt sind neben Hamburg erst acht weitere Landesverbände mit eigenen, gewählten Vorständen vertreten (Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt).

Hinzu kommt bei der Berichterstattung über die Schill-Partei, daß entweder der Mantel des Schweigens über sie gelegt oder aber ausschließlich Negatives zutage gefördert wird. Schill selber hat allerdinges seinen Kritikern mit vollmundigen Wahlversprechen Steilvorlagen geliefert. So ist er von einer Halbierung der Kriminalität noch genauso weit entfernt, wie von den angepeilten 2000 neuen Polizisten.

Die nächsten Nagelproben werden die Landtagswahlen

Doch ebenso entbehrt die Behauptung, es habe sich überhaupt nichts verbessert, jeder Grundlage. Nach einer Polizeistatistik gingen in den ersten neun Monaten dieses Jahres die Straftaten um knapp 40.000 auf insgesamt 201.486 zurück. Bei den Delikten Straßenraub und Wohnungseinbrüche wurde ein Rückgang von 7,3 bzw. 15,6 Prozent verzeichnet, bei Drogenhandel an Brennpunkten (Hauptbahnhof) gar um 36 Prozent. An dieser Tendenz hatte zwar schon der Amtsvorgänger Olaf Scholz (SPD) seinen Anteil, doch erst, nachdem durch Schill das Thema Innere Sicherheit zum Hauptfaktor des Wahlkampfs geworden war. Nach Meinung von Schills Staatsrat Walter Wellinghausen liegt jedoch auch in den Bereichen, in denen noch keine ausreichende Verbesserung zu verzeichnen ist (beispielsweise die Zahl der Polizeibeamten), einiges in der Verantwortung der rot-grünen Vorgänger. Das Abwerben von Berliner Polizisten und die Einrichtung einer hilfspolizeilichen Sicherheitswacht sind immerhin positive Anfänge.

Erfolgverheißend scheint zudem auch die Strategie des Senats bei der Auflösung der Wagenburg "Bambule" gewesen zu sein, wo man einerseits am offensiven Vorgehen der Polizei gegen gewalttätige Demonstranten festhielt (und sich dadurch der Innensenator bei den eigenen Anhängern wieder einmal als Reizfigur der Linken ins Gedächtnis rufen konnte), andererseits aber auf unterer Ebene Verhandlungen mit Vertretern der Bewohner durchführte, um alternative Stellplätze für die Bauwagen zu finden.

Wie sehr der von Schill beeinflußte Machtverlust die sozialdemokratische Opposition zu wurmen scheint, zeigt eine Meldung des Norddeutschen Rundfunks von vergangener Woche: Demnach soll eine Mitarbeiterin aus dem Vorzimmer des Innensenators, die bereits unter dessen Amtsvorgängern Wrocklage und Scholz (beide SPD) dort tätig war, vertrauliche Informationen an den Pressesprecher der SPD weitergeleitet haben. Norbert Frühauf, Vorsitzender der Schill-Fraktion in der Bürgerschaft, forderte darauf umgehend eine Klärung des Falles und eine Stellungnahme durch den Hamburger SPD-Vorsitzenden Scholz.

Die nächsten Nagelproben für eine mögliche Etablierung der Schill-Partei außerhalb der Hansestadt werden die beiden Landtagswahlen am 3. Februar 2003 in Niedersachsen und Hessen sein. In Niedersachsen führt der Salzgitteraner Richter Reinhard Steinhoff (51) die 30köpfige Landesliste der Schill-Partei an, gefolgt vom Landesvorsitzenden Dirk Salzmann aus Neustadt. Beide verfügen über kommunalpolitische Erfahrungen, das ehemalige CDU-Mitglied Salzmann sitzt derzeit schon im Hannoverschen Regionalparlament. In 35 der 100 Wahlkreise tritt die Partei Rechtsstaatlicher Offensive zudem mit Direktkandidaten an.

In Hessen hat es die Schill-Partei schwerer

Eine Emnid-Befragung im Auftrag der Schill-Partei sieht ein "Potential" von neun Prozent Zustimmung für diese Partei unter den niedersächsischen Wählern. Doch handelt es sich dabei eben noch nicht um tatsächliche, sondern nur potentielle Wähler. In anderen Umfragen taucht die Partei überhaupt nicht auf.

In Hessen hat es die Schill-Partei mit einem konservativeren CDU-Spitzenkandidaten wie Ministerpräsident Roland Koch ungleich schwerer, sich zu profilieren. Frank Bücken, Landesvorsitzender und Listenkandidat, hat dabei eine mögliche "Hamburger Koalition" im Auge, wobei die Schill-Partei eventuelle Verluste der FDP ausgleichen könnte.

Im Programm der Schill-Partei Hessen stehen elf Leitlinien mit Schwerpunkten unter anderem bei Innerer Sicherheit, Bildung, Wirtschaft und Familie. Eher im bundespolitischen Bereich rangieren die Forderungen nach Direktwahl des Bundespräsidenten und nach Abschaffung des im Grundgesetz verankerten Asylrechts.

Die im August gegründete Jugendorganisation der Schill-Partei "Junge Offensive (JO)" will sich unter Vorsitz von Stephan Helmke bald bundesweit etablieren. Die Geschäftsstelle für den Verband wurde im Brandenburgischen Bernau eingerichtet, als Ansprechpartnerin fungiert die dortige JO-Landesvorsitzende Stephanie Wand. Auf der ersten bundesweiten Veranstaltung am 2. November in Magdeburg beriet der Schill-Nachwuchs über Themen und Programm des neuen Jugendverbands. Die JO wolle Jugendliche zusammenführen, "die auf rechtsstaatlichem Wege ihre Meinung und Kritik zu mangelnder Jugend- und Bildungspolitik äußern und Vorschläge entwickeln."

Ob die Schill-Partei diesem Wunsch entsprechend als Alternative zwischen den etablierten "Alt-Parteien" und "Radikalen" reüssieren wird, liegt zunächst in der Hand der Wähler; letztlich aber werden das Durchhaltevermögen und die Disziplin ihrer Mitglieder im kommenden Jahr darüber entscheiden, inwieweit die Schill-Partei mehr sein wird, als ein kurzzeitiges, auf Hamburg beschränktes Protestphänomen. Potentiale sind jedenfalls vorhanden.


 
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