© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/03 10. Januar 2003

 
Aus Lemmingen werden Streithähne
FDP: Auf dem Dreikönigstreffen waren sich die Liberalen nur noch in der Ablehnung Jürgen Möllemanns einig / Alexander von Stahl zum Bundesparteitagsdelegierten gewählt
Markus Schleusener

Auf ihrem alljährlichen Dreikönigstreffen hat die FDP ihre innere Verfassung deutlich gezeigt. Den liberalen Gemütszustand dominieren inhaltliche Leere und persönliche Rivalitäten. Nur in ihrer Ablehnung des exkommunizierten Jürgen Möllemann erscheint die FDP als geschlossene Gruppe. Das letzte Dreikönigstreffen stand noch ganz unter dem Zeichen des Projekts 18. Die Strategie, die von Möllemann initiiert worden war, ist mit ihm beerdigt worden. Wie die Lemminge sind die liberalen Häuptlinge dem Visionär einer liberalen Volkspartei gefolgt. Auf der jetzigen Festveranstaltung kam Guido Westerwelle nur ein einziger Satz über die Lippen, der an die rhetorische Kraftmeierei des letzten Wahlkampfes heranreicht. Er sagte: "Der Liberalismus gehört in die erste Liga." Walter Döring dagegen konnte sich Seitenhiebe gegen seinen Intimfeind Möllemann nicht verkneifen. Er dankte den Teilnehmern, daß sie "ganz normal" angereist seien. Möllemann ist auf FDP-Veranstaltungen oftmals mit dem Fallschirm eingeschwebt. Döring hatte im Vorfeld des Dreikönigstreffens die Lage der FDP als "dramatisch" bezeichnet. Außerdem ist es ihm gelungen, Günter Rexrodt zu brüskieren, indem er verlautbarte, er habe dem rüstigen Schatzmeister seinen Redebeitrag untersagt.

Döring selber mußte allerdings auch Rückschläge einstecken. Seine Wiederwahl als Landesvorsitzender erfolgte nämlich mit einem mageren Ergebnis von 71 Prozent. Andernorts in der FDP sind dies Traumergebnisse, in der harmonischen Südwest-FDP jedoch Ohrfeigen. Der Grund für das schlechte Abschneiden des langjährigen FDP-Chefs von Baden-Württemberg sind aber vor allem Machtkämpfe in untergeordneten Gliederungen. Baden und Schwaben hatten Streit wegen der Kandidatenaufstellung zur Bundestagswahl. Die unterlegene Seite ließ Döring jetzt ihren Unmut spüren.

Es scheint so, als würde die Führungsspitze der Liberalen bereits Diadochenkämpfe ausfechten, bevor der Bundesvorsitz frei ist. Dabei sitzt Guido Westerwelle nach wie vor fest im Sattel. Da das Erscheinungsbild der Bundesregierung noch schlechter als das der FDP ist, wird die Partei die nächsten Landtagswahlen vermutlich überstehen.

Alle Parteifreunde hatten eine historische Aufbruchrede gefordert, und Westerwelle hat eine solche angekündigt. Die hohen Erwartungen wurden nicht befriedigt. Die Vermutung, Westerwelle sei deswegen geschwächt, ist unzutreffend. Schließlich ist er als Sieger aus dem internen Machtkampf hervorgegangen.

Immerhin lieferte Guido Westerwelle in Stuttgart eine inhaltliche Trendwende. Daß "Fleiß, Disziplin und Ehrlichkeit keine Sekundärtugenden" seien, führte der Bundesvorsitzende aus. Diese Wert hielten "unser Land und unsere Gesellschaft zusammen", führte er weiter aus. Dies sind Erkenntnisse, die auf ein Post-Spaßpartei-Image schließen lassen. Guido Westerwelle wird es nicht einfach haben, so schnell einen Imagewechsel herbeizuführen. Wer nähme Otto Waalkes schon eine Rolle in einer Tragödie ab? Doch die anderen möglichen Aspiranten auf den Vorsitz rufen auch keine Euphorie hervor. Abseits des liberalen Traditionskommerses kämpft Jürgen Möllemann um seine politische Zukunft. Spekulationen, er werde eine Gegenveranstaltung organisieren, wiegelte er sofort ab. Er werde seiner Partei doch nicht Konkurrenz machen, erklärte der Ex-Bundesvize.

Doch sein konziliante Haltung trägt keine Früchte. Da die FDP fast in ihrer Gesamtheit Möllemann zum Sündenbock ernannt hat, soll sein Kopf rollen. Dabei befindet sich die FDP-Führung auf einem schmalen Grad.

Die Auskunftsklage der Partei gegen Möllemann ist so gut wie erledigt. Der von Rexrodt inszenierte Sturm im Wasserglas hat sich gelegt. Möllemann hat sein privates Geld für das Flugblatt aufgewandt. Jürgen Möllemann hat sich der Erledigung, die die FDP als Antragstellerin erklärt hatte, nicht angeschlossen. Vermutlich will er gegen die Partei zurückschießen, weil sie mißbräuchlich Klage erhoben hat. Aus diesem Grund weigert er sich auch, seine Aussagen eidesstattlich zu versichern, weil er dann die Klage anerkennen würde. Die FDP müßte Möllemann das Geld zurückgeben, wenn der von ihr inszenierte Spendenskandal wahr wäre. Das will die Parteispitze natürlich auch nicht. An Gerissenheit ist die FDP-Führung, allen voran Günter Rexrodt, nicht zu übertreffen.

Außerdem steht das Ausschlußverfahren gegen Möllemann auf der Kippe. So sieht es beispielsweise auch Alexander von Stahl. Der ehemalige Generalbundesanwalt wurde auf dem Südwest-FDP-Parteitag überraschend zum Bundesparteitagsdelegierten gewählt.

Von Stahl erinnert daran, daß im Verteilungsgebiet des Flugblatts die besten FDP-Ergebnisse erzielt worden sind. Hohe Wahlergebnisse zu erzielen, sei schließlich nicht parteischädigend. Auch wenn Guido Westerwelle - leicht egozentrisch - diesen Erfolg für sich in Anspruch nimmt. Gegenüber der jungen freiheit erklärte Alexander von Stahl, sicher kein Freund von Jürgen Möllemann: "Ein Fragezeichen bilden die Finanzmanipulationen, aber der Verstoß gegen die Parteidisziplin reicht für einen Ausschluß vermutlich nicht aus." Spannend bis zum Schluß bleibt also, wie das am 2. Dezember eingeleitete Ausschlußverfahren gegen das Enfant terrible der Liberalen ausgeht.


 
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