© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/03 10. Januar 2003

 
Jägerinnen der Mitgift
Theater: Aschenputtel
Werner Veith

Vom jetzigen jordanischen König erzählt man, er verkleide sich von Zeit zu Zeit als ärmlicher Normalbürger, um sich unerkannt unters Volk zu mischen. So erfahre er persönlich und unverblümt, was in seinem Land so vorgeht.

Vielleicht ließ sich der jordanische König ja von Rossinis Oper "La Cenerentola" (Aschenputtel) animieren. Auch hier wimmelt es nur so von aristokratischer Tiefstapelei: Don Ramiro, Fürst von Salerno, gibt sich als Kammerdiener aus - und der Berater des Fürsten verkleidet sich als Bettler. Ziel der verdeckten Ermittlungen ist jedoch nicht, die politische Stimmung im Volk auszukundschaften, sondern eine Frau für den Fürst zu finden, die nicht nur auf Geld und Status aus ist.

Das Staatstheater am Gärtnerplatz in München zeigt in dem von Chris Alexander inszenierten Stück "Aschenputtel oder der Triumph der Tugend" zickige Mitgiftjägerinnen, die ihre Absichten kaum verbergen. Grell und marionettenhaft werben zwei Schwestern um die Gunst des Fürsten, bekriegen sich gegenseitig ("Du falsche Schlange") und quälen ihre dritte (Halb-)Schwester Aschenputtel. Die schuftet für ihre Familie und wird trotzdem von ihrem (Stief-)Vater verleugnet "die dritte Tochter ist schon tot", als der Fürst nach ihr frägt.

Es spricht einiges für eine deutschsprachige Aufführung: der Witz ist verständlicher, die Frechheiten sind offensichtlicher, die Gemeinheiten greifbarer. So scheint die Strategie des Gärtnerplatztheaters wieder erfolgreich zu sein, fast alle Opern auf Deutsch zu bringen. (Hingegen präsentiert die Bayerische Staatsoper in München meist alles in der Originalsprache).

Doch zu welchem Preis erkauft man die deutschsprachige Aufführung? "Das ist nicht Rossini, sondern ein ganz anderes Werk", meinte ein Italiener, der schon jahrzehntelang in Deutschland wohnt. Na ja, die deutsche Sprache ist halt ärmer an melodischen Selbstlauten wie O, U und I. Deutsch ist auch schwieriger zu singen, wenn das Tempo beschleunigt. Und Rossini ist berühmt für seine Temposteigerungen, den sogenannten Rossini-Crescendos. Mancher Sänger hechelte hinterher, als das ausgezeichnete Orchester unter Leitung von Constantinos Carydis beschleunigte. Das Publikum spendete trotzdem viel Beifall, besonders für die stimmlichen Leistungen des Aschenputtels.

Die nächsten Aufführungen finden statt am 5., 10. und 24. Februar jeweils um 19.30 Uhr. Info: 089 / 20 24 11 oder im Internet unter www.staatstheater-am-gaertnerplatz.de . Auf CD und in italienischer Sprache gibt es "Aschenputtel" zum Beispiel mit Cecilia Bartoli und dem Stardirigenten Riccardo Chailly (Decca).


 
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