© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/03 17. Januar 2003


10 Jahre "FOCUS"
Markwort riß das Fenster auf
Dieter Stein

Am 18. Januar 1993, vor zehn Jahren, erschien die erste Ausgabe des "modernen Nachrichtenmagazins" Focus. Dutzende von Blattmachern hatten sich zuvor die Zähne daran ausgebissen, der Hamburger Zeitschrift Der Spiegel, die den Begriff des "Nachrichtenmagazins" monopolistisch für sich beanspruchte, eine ernsthafte Alternative entgegenzustellen.

Wenn es jemand wagt, eine jahrelang eingespielte Rangordnung durcheinanderzubringen, kann er nicht mit großer Gegenliebe rechnen. Zumal es dabei um die linksliberal dominierte deutsche Zeitungslandschaft geht, als deren ungekröntes Oberhaupt sich der Spiegel verstanden hat. Als "Sturmgeschütz der Demokratie" wollte es der kürzlich verstorbene Herausgeber Rudolf Augstein verstanden wissen, als Avantgarde der Aufklärung - doch in Wahrheit verkam es über weite Strecken zu einem Propaganda-Instrument des linken Establishments. Der Spiegel war so zur publizistischen Guillotine geworden, mit der ein politischer Gegner - ob links oder vornehmlich rechts - spielend einen Kopf kürzer gemacht werden konnte.

Man muß nur einmal die Büros von Spiegel und Focus betreten haben, um unterschiedliche Weltsicht und Selbstverständnis beider Magazine aufzunehmen. Der Spiegel residiert pseudoimperial in einem Hochhaus mit dem Plastik- und Plüsch-Charme der Siebziger Jahre, barocke Ledergarnituren verstopfen ausladende Büroräume während Ressortleiter hinter verschlossenen Türen Hof halten und Attitüden eines Consul Weyer entwickelten. Dagegen im krassen Gegensatz die luftige, zweckmäßige Büroetage von Focus in München, in der die junge Redaktion ausgeschlafen ihr Magazin macht, die Türen stets offen, der Chef Helmut Markwort in einem Zimmer, das einem Volontär beim Spiegel wohl schon zu notdürftig anmutete.

Frechheit und Solidität haben gesiegt. Focus ist aller Häme und Unkenrufen zum Trotz zehn Jahre alt geworden. Die Pionierarbeit der Redaktion um Helmut Markwort verdient Respekt. Sie haben ein Fenster für mehr Meinungsvielfalt und Pressefreiheit in Deutschland aufgestoßen. Wer Markwort kennt, weiß, daß er zuerst ein freier Demokrat im besten Sinne ist: Ist die Freiheit bedroht, kann man seines Engagements gewiß sein.

Sicher konkurriert Focus nicht bei Grundsatzdebatten, Essays, Zeitgeschichtsserien ernsthaft mit dem Spiegel - hier gäbe es noch Entwicklungsbedarf. Doch wurde der Monopolanspruch einer politisch-journalistischen Klasse zertrümmert. Wenn der Spiegel etwas totzuschweigen gedenkt, steht ihm nun ein ebenbürtiger Konkurrent in München entgegen, der seiner Informationspflicht nachkommt. Nicht immer, aber meistens.

Diese Pionierleistungen lassen hoffen, daß nicht alles politisch und publizistisch so sein und bleiben muß, wie es manchmal scheint. Die Landschaft ist in Bewegung. Helmut Markwort hat zudem wieder den Leser in den Mittelpunkt gestellt und dem Redakteur die ihm dienende Funktion zugewiesen. Herzlichen Glückwunsch, Focus!


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