© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/03 17. Januar 2003

 
Eine ganze Menge Sonstige
Landtagswahlen: Zehn kleine Parteien buhlen in Hessen um die Gunst der Wähler
Peter Freitag

In den offiziellen Umfragen vor den Wahlen sowie den Hochrechnungen am Wahlabend rangieren sie meist ohne weitere Differenzierung unter dem Begriff "Sonstige": die kleinen Parteien. Doch obwohl nicht selten belächelt oder geschmäht buhlen auch jetzt wieder bei der hessischen Landtagswahl einige politische Gruppierungen als Alternativen zu den etablierten Parteien um die Gunst der Wähler. In Werbespots, Postwurfsendungen und an Informationsständen versuchen sie ihre Aussagen und Anliegen unters Volk zu bringen.

In Hessen stehen neben den vier im derzeitigen Landtag vertretenen Parteien (CDU, SPD, Grüne und FDP) zehn weitere Listen auf dem Wahlzettel: Die Republikaner (REP), Partei Bibeltreuer Christen (PBC), Deutsche Kommunistische Partei (DKP), Ökologisch Demokratische Partei (ÖDP), Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo), Feministische Partei - Die Frauen, Tierschutzpartei, Flughafenausbaugegner (FAG), Partei für Soziale Gleichheit (PSG) und Partei Rechtsstaatlicher Offensive (Schill).

Die Republikaner treten unter Führung ihres Landesvorsitzenden Haymo Hoch zur Landtagswahl an. Programmatische Schwerpunkte sind die Einführung von plebiszitären Elementen in die Landespolitik, bildungspolitische Verbesserungen, wie zum Beispiel die Errichtung von Bildungszielen in Absprache mit der Wirtschaft und separate Klassen für ausländische Kinder, wenn deren Anteil 25 Prozent und mehr beträgt. Die Republikaner sprechen sich für die Wiedereinführung der alten Rechtschreibung aus und wollen ein "Verbot politischer Beeinflussung von Schülern" erwirken. Neben einer personellen und materiellen Verstärkung der Polizei sieht die Partei eine Notwendigkeit verschärfter Haftbedingungen (Abschaffung des Freigangs) und rigoroser Abschiebung krimineller Ausländer. Die Republikaner plädieren für ein Ende der Zuwanderung und die Abschaffung der doppelten Staatsangehörigkeit.

Sechs Kandidaten stehen auf der Liste der Partei Bibeltreuer Christen (PBC), an erster Stelle der Landesvorsitzende Norbert Lohneis, gefolgt von seinem Stellvertreter Klaus Sydow. Zu den Schwerpunkten der Partei gehören die Förderung von Ehe und Familie durch Einführung eines Familiengehalts, vehement lehnt die Partei die Abtreibungspraxis in Deutschland ab. "Geistliche Umweltverschmutzung" in Form von Pornographie oder Okkultismus gelte es verstärkt zu bekämpfen. An allen Schulen und Kindergärten solle es einen konfessionsneutralen Bibelunterricht geben.

Die DKP präsentiert sich als "Alternative zum System"

24 Kandidaten schickt die hessische DKP ins Rennen, darunter mindestens ein Mitglied der PDS, die selbst nicht bei dieser Landtagswahl antritt. Einige der DKP-Kandidaten sind über Listen anderer Parteien (PDS oder Grüne) bereits kommunalpolitische Mandatsträger. Spitzenkandidat der Kommunisten ist der 61jährige Gießener Lehrer und DKP-Bezirksvorsitzende Michael Beltz. Stichworte des Programms dieser Partei sind: Menschenrechte, Gesundheit, Bildung und Arbeit für alle, Beendigung der Abschiebungen vom Frankfurter Flughafen aus, keine Rasterfahndung an Universitäten und ein klares Votum gegen den drohenden Irak-Krieg. Die DKP präsentiert sich als "Alternative zum System", wohingegen sowohl SPD und Grüne, als auch CDU und FDP "Parteien des Kapitals" seien.

Wer hinter dem Kürzel der Flughafenausbaugegner genau steht, läßt sich schwer sagen, da sich die gleichnamige - auch als Fraktion im Frankfurter Römer vertretene - Bürgerinitiative von dieser Liste offiziell distanziert hatte.

Die Feministische Partei ("Frauen: Wenn wir heute nichts tun, leben wir morgen wie vorgestern") engagiert sich gegen das Ehegatten-Splitting und für eine "geschlechtergerechte Verteilung der Macht", die Tierschutzpartei sieht sich als konsequent ökologische und pazifistische Alternative zu den Bündnisgrünen.

Mit einer eigenen, zwölf Kandidaten umfassenden Landesliste tritt auch Helga Zepp-LaRouches Bürgerrechtsbewegung Solidarität wieder einmal bei den Landtagswahlen an. Allein in den drei Wahlkreisen der Landeshauptstadt Wiesbaden bewerben sich drei Direktkandidaten des Ablegers der amerikanischen LaRouche-Bewegung, die ihre thematischen Dauerbrenner - Einführung eines goldgestützten Finanzsystems und Schaffung einer "Eurasischen Landbrücke" - unter die potentiellen Wähler bringen möchte.

Genuin links präsentiert sich die Partei für Soziale Gleichheit (PSG), die sich den Abbau sozialer Gegensätze und die Einheit der Arbeiterklasse auf die Fahnen geschrieben hat. Konsequent entwickelt die Partei nach eigenen Angaben eine "marxistische Einschätzung zu den wichtigsten politischen Ereignissen". Die PSG steht als "Sektion der Vierten Internationale" in der Tradition des trotzkistischen Bundes Sozialistischer Arbeiter. Auf dem Forderungskatalog der Partei steht neben einem einschränkungslosen Asylrecht für politisch Verfolgte die rechtliche Gleichstellung aller Immigranten mit deutschen Staatsbürgern sowie die Auflösung des Verfassungsschutzes.

Die Schill-Partei orientiert sich an dänischem Vorbild

Im deutlichen Kontrast dazu spricht sich die erstmals bei hessischen Landtagswahlen kandidierende Schill-Partei für eine Asylpolitik nach holländischem oder dänischem Vorbild aus, samt härterem Vorgehen gegen Mißbrauchsfälle und verstärkter Einrichtung von geschlossenen Erstaufnahmelagern. Priorität soll dagegen die familiäre Zusammenlegung von Spätaussiedlern genießen. In der Wirtschaftspolitik plädiert die Partei für eine drastische Senkung der Staatsquote, die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft in Kammern und für ein radikal vereinfachtes Steuersystem. Im Bereich Innere Sicherheit soll der Schutz der Gesellschaft Vorrang vor der Resozialisierung der Täter haben.

Weitere Punkte des Schill-Programms: Einführung eines Zentralabiturs nach zwölf Schuljahren, Vermeidung von Schulklassen mit überwiegendem Ausländeranteil. Desweiteren spricht sich die Partei für die Einrichtung von Formen direkter Demokratie aus, die dem einzelnen Bürger verstärkten Einfluß auf die Geschicke der Landespolitik garantieren sollen. Der Bevölkerungszuwachs mittels Familienförderung soll als "Staatsziel" in die Verfassung aufgenommen werden. Zur Wahl tritt die Schill-Partei mit einer 15köpfigen Landesliste an, Spitzenkandidat ist der Landesvorsitzende Frank Bücken. Trotz ihrer Zuversicht ist ihr Einzug der Schill-Partei in den hessischen Landtag mehr als unwahrscheinlich.


 
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