© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/03 31. Januar 2003


Schlacht um Stalingrad
Symbol des Krieges
Dieter Stein

Vor sechzig Jahren, am 31. Januar 1943, kapitulierte die 6. Armee unter Generalfeldmarschall Paulus in Stalingrad. Wie Verdun mit über 600.000 deutschen und französischen gefallenen Soldaten zum Symbol des sinnlosen Schlachtens des Ersten Weltkrieges wurde, steht Stalingrad mit rund 250.000 gefallenen deutschen und russischen Soldaten für die barbarische Tragödie des Zweiten Weltkrieges.

Stummen Blickes begegnen uns in diesen Tagen im Fernsehen, wie aus unendlicher Ferne, die schwarz-weißen Bilder der namenlosen, ausgemergelten Gesichter Tausender und Abertausender deutscher Gefangener, die abgemagert bis auf die Knochen, nur noch Lumpen um die Füße gewickelt, nach der Kapitulation in endlosen Schlangen den meist sibirischen Lagern entgegengeführt werden. Durch den Krieg in die weite russische Ferne getrieben, nehmen sie ein Kreuz auf sich, tragen die Konsequenzen für verbrecherische politische Entscheidungen.

Wie viele junge Männer, kaum der Schule entlassen, wurden an die Fronten des Krieges geworfen und bezahlten mit dem höchsten Preis, dem Leben. Und welche Erinnerung lassen wir den Millionen Gefallenen und Vermißten angedeihen? Verschämt und leise erinnern wir uns dieser unermeßlichen Opfer.

Es spricht niemand mehr von Gedenktagen, die in Fahnenmeeren und Marschmusik-Gedröhn ertrinken. Doch wo sind die Gesichter der Veteranen? Warum empfängt der Bundespräsident nicht öffentlich zu einem solchen Tag eine Abordnung der überlebenden Stalingradkämpfer? In Frankreich, in Großbritannien, in Rußland, in den USA treten die Helden der Weltkriege mit angelegten Orden an. Warum nicht in Deutschland? Sicher, Deutschland hat den Krieg verloren - ein nachvollziehbarer Grund, von der Erinnerung an den Weltkrieg am wenigsten berauscht zu sein. Doch sind die Veteranen jenes lebendige Mahnmal des Krieges, die die verantwortlichen Politiker von heute an ihre Pflicht erinnern.

Sie sind die Überlebenden der Hölle. Die wenigen, die zurückkehrten aus den großen Schlachten, aus den Lagern jahrelanger Kriegsgefangenschaft und Zwangsarbeit. Diese Veteranen rufen bestimmt als letzte "Hurra", wenn dieser Tage leichtfertig zum Aufmarsch zu neuen Kriegen gerufen wird. Sie kennen den blutigen Preis, den ein Soldat zu zahlen hat.

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler schlug kürzlich vor, einen Gedenktag für die deutschen Bombenopfer im Zweiten Weltkrieg einzurichten. Es sei "eine sittliche Pflicht der Bundesrepublik Deutschland", der Luftangriffe zu gedenken. Ein Schritt in die richtige Richtung. In derselben Konsequenz stünde ein würdiges, zentrales Denkmal für die gefallenen und vermißten Soldaten von Stalingrad in der Hauptstadt. Stellvertretend für die 4,5 Millionen gefallenen deutschen Soldaten. Verneigen wir uns vor jenen, die in Stalingrad kämpften und fielen. Den deutschen und den russischen Soldaten.


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