© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/03 07. Februar 2003


Irak-Krieg
Zweifelhafte Souveränität
Dieter Stein

In der vergangenen Woche, kurz vor den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen, zündete im Reichstag eine brisante juristische Bombe. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl hatte ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages öffentlich gemacht, nachdem Deutschland einen US-Angriff auf den Irak empfindlich behindern könnte. In der achtseitigen Abhandlung zum Thema "Überflugrechte und Nutzungsrechte der USA an ihren Militärbasen in der Bundesrepublik Deutschland im Falle eines Angriffs auf den Irak" kommt der Gutachter zum Ergebnis, daß die USA im Falle eines Präventivschlags, der nicht durch das Nato-Truppenstatut gedeckt sei, keine Operationen von Deutschland ausführen dürfen, ohne die Zustimmung deutscher Behörden zu besitzen.

Postwendend brach eine hektische Debatte um deutsche Souveränitätsrechte aus. Hatte doch Kanzler Schröder, der stets markig auf einem "Nein" zum Irak-Krieg beharrte, den USA einen Blanko-Scheck für Operationen von deutschem Boden aus gegeben. So widersprachen Rechtsexperten der Bundesregierung der Ansicht des Gutachtens und erklärten sogar, die USA seien völkerrechtlich berechtigt, auch ohne neuerliche UN-Resolution den Irak anzugreifen. Deshalb habe Schröder der US-Regierung unbeschränkte Überflug- und Transitrechte für den Kriegsfall zugesagt.

Mit dieser Position führt die Bundesregierung ihr Eintreten für eine erneute UN-Resolution ad absurdum und demonstriert den Unernst, mit dem deutsche Interessen gegenüber den Nato-Partnern und den USA vertreten werden. Ohne Not hat Schröder Deutschland zum Flugzeugträger der USA degradiert, von dem aus wesentliche Operationen im Rahmen eines Angriffs auf den Irak durchgeführt werden.

Hans-Peter Uhl, dem Auftraggeber des Bundestags-Gutachtens, ging es darum, diese Doppelzüngigkeit der Schröder-Regierung offenzulegen, die rechtlich dazu in der Lage wäre, den US-Aufmarsch massiv zu behindern, es aber nicht tut. Es müßten den USA nur Starts und Landungen auf deutschen Flugplätzen verweigert werden. In der Tat ist es eine atemberaubende Vorstellung, daß Deutschland einmal ernsthaft auf seine souveränen Rechte pochen würde.

So wird derzeit wenig bleiben außer den Kraftmeiereien Schröders - denen aber keine konkreten Konsequenzen folgen. Wenn es zum Angriff auf den Irak kommt, mit oder ohne neuer UN-Resolution, werden wir wochenlang die Blockade des deutschen Flugraumes durch die startenden und landenden Bomber und Transportflugzeuge erleben.

Die politische Klasse in Deutschland wird damit auf die existentielle Frage des Staates zurückgeworfen, die in Schönwetterperioden nicht beantwortet zu werden brauchte: Wer entscheidet über den Ausnahmezustand? Die Bundesregierung, der Bundestag - oder die hier anwesenden ausländischen Streitkräfte? Bekanntlich ist souverän, wer diese Entscheidung trifft.


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