© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/03 21. Februar 2003

 
PRO&CONTRA
Kündigungsschutz lockern?
Dieter Hundt / Jörg Köther

Ich begrüße den Vorschlag von Wirtschaftsminister Clement, den Kündigungsschutz zu lockern. Diese Offensive zur Entbürokratisierung ist ein wesentlicher Baustein zur Modernisierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Der Vorschlag zum Kündigungsschutz ist ein Schritt in die richtige Richtung - hin zu der dringend notwendigen Flexibilisierung des Arbeitsrechts (...)

Gerade die deutsche Kündigungsschutzregelung hat die Personalplanung in den Unternehmen erheblich erschwert und ist immer mehr zu einem Einstellungshemmnis vor allem für den Mittelstand geworden. Das Kündigungsschutzgesetz muß umfassend modernisiert werden, um die Barrieren für Arbeitslose abzubauen und bei den Arbeitgebern die Bereitschaft zur Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen zu stärken (...)

Eine Anhebung des Schwellenwertes ist richtig. Die Zahl sollte auf 20 Mitarbeiter hochgesetzt werden. Neben diesem zentralen Element ist weiterhin die Ausweitung der sogenannten Probezeit auf zwei Jahre und die Einführung der Option, das Arbeitsverhältnis durch Abfindungszahlung rechtssicher beenden zu können, erforderlich. Die BDA hat hierzu ein umfassendes Konzept vorgelegt, das sowohl die Belange insbesondere der kleinen und mittelständischen Betriebe berücksichtigt, als auch die Komplexität moderner Arbeitsverhältnisse. Das wichtigste Element dabei ist, daß der überbürokratisierte Kündigungsschutz die Arbeitslosen nicht mehr vom Arbeitsmarkt ausschließen darf (...)

Es muß jetzt alles auf den Prüfstand, was die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands seit langem hemmt. Ein überreguliertes Arbeitsrecht mit unzähligen bürokratischen Fallstricken gehört mit zu den größten Bremsklötzen. Es verschwendet Zeit, verursacht Kosten und verhindert die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Das lähmt die deutsche Wirtschaft nachhaltig."

 

Presseinformation von Dr. Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) vom 17. Januar.

 

 

Nahezu alle von den Verfechtern der Lockerung des Kündigungsschutzes angeführten Argumente erweisen sich als schlicht falsch oder überzogen. Dennoch sehen nicht nur konservative und neoliberale Kräfte im Kündigungsschutz den arbeitsrechtlichen Bremsklotz und ein Beschäftigungshindernis ersten Ranges. Allein die Realitäten der Arbeitswelt sprechen dagegen.

Ein Zusammenhang zwischen dem Abbau von Schutzrechten für Arbeitnehmer und mehr Beschäftigung ist bisher nicht nachweisbar. Der letzte umfassende Versuch stammt aus der Amtszeit der Regierung Kohl, die die Schwellenwerte für den Kündigungsschutz von fünf auf zehn Arbeitnehmer anhob. Viele Befürworter eines Abbaus unterstellen dem Kündigungsschutz zudem eine Wirkung, die er nicht hat: Das entsprechende Gesetz schließt die Entlassung keineswegs aus, sondern verlangt lediglich eine - nötigenfalls gerichtlich überprüfbare - Begründung.

Der Arbeitsmarkt leidet nicht an zuviel Regelungen, sondern es besteht ein dramatischer Mangel an Arbeitsplätzen. Angesichts von mehr als 4,7 Millionen Arbeitslosen kommt es darauf an, den Menschen ihren Arbeitsplatz zu erhalten, nicht sie schneller rauszuschmeißen. Die fortgesetzte Deregulierung am Arbeitsmarkt ist kein Ersatz für aktive Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik. Lautete nicht eine Verabredung der Hartz-Kommission "kein Nachschub für Nürnberg?" Davon findet sich nichts in den Hartz-Gesetzen und kaum ein Arbeitgeber will heute davon etwas wissen. Die Forderung nach weniger Kündigungsschutz lenkt die Aufmerksamkeit von den tatsächlichen Defiziten am Arbeitsmarkt ab. Die Verantwortung wird wie so oft den Schwächeren am Arbeitsmarkt, den abhängigen Arbeitnehmern zugeschoben. Nicht umsonst wird spitzfindig appelliert, man möge an die Menschen denken, die auf der Straße stehen und keinen Job haben. Richtig: Sie stehen dort nicht etwa wegen zuviel Kündigungsschutz, sondern mangels freier Arbeitsplätze.

 

Jörg Köther ist Bezirksleiter der IG Metall Hannover für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.


 
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