© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/03 28. Februar 2003

 
Die Würfel sind gefallen
US-Präsident George W. Bush will im Irak-Konflikt eine schnelle Entscheidung
Alexander Griesbach

Seit Ende letzter Woche ist die USA und ihr Verbündeter Großbritannien in der Golf-Region nach den Worten von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bereit für einen Krieg gegen den Irak. Mehr als 150.000 Soldaten stehen bereit, um die Ära Saddam Hussein zu beenden. Darüber hinaus bemühen sich die USA, über die Türkei eine zweite Front gegen den Irak aufzubauen. Ankara nutzt dieses Ansinnen zu einem Geschäft in gut orientalischer Art. Ein Angebot von 26 Milliarden Dollar lehnte Ankara zunächst einmal als unzureichend ab. Ganz gleichgültig, wie dieser Deal nun ausgeht, der medienwirksam mit dem hysterischen Gejammere um die angeblich bedrohte Türkei unterstützt wird: Die USA werden, wie bereits nach dem Golfkrieg 1991, Mittel und Wege finden, ihre "Investitionen" auf ihre Verbündeten abzuwälzen. Auch deshalb dürften die USA bemüht sein, die Koalition der Kriegswilligen so groß wie möglich zu gestalten. "Burden sharing" meinte aus ihrer Sicht noch nie etwas anderes, als die Finanzierung der US-Hegemonialpolitik durch die Vasallen der einzigen Weltmacht.

Langsam werden auch die Pläne der USA für einen Irak nach Ende der Ära Saddam Hussein transparenter. Es kristallisiert sich eine "deutsche Lösung" heraus: Ein als Verwalter eingesetzter US-Vertreter solle für eine Übergangszeit den Wiederaufbau des Landes und die Verteilung von Hilfsgütern leiten, berichtete die Washington Post. Der Verwalter solle ernannt werden, sobald das Militär die Sicherheit im Lande hergestellt und die (angeblichen) Massenvernichtungswaffen zerstört habe. Als Verwalter könne ein ehemaliger Gouverneur oder Botschafter eingesetzt werden. Immerhin, und dies zeigt die Generösität der USA im Hinblick auf ihr zukünftiges Protektorat, sollen bis zu 25 Iraker die USA beraten. Die demokratische Fassade muß schließlich gewahrt bleiben. Mehr aber auch nicht. Denn dieser Rat soll über keinerlei Regierungsgewalt verfügen. Der dahinter stehende Gedanke ist offensichtlich: ein nur an Despotie und Diktatur gewöhntes Volk wie das der Iraker muß erst "demokratiefähig" gemacht werden. Wie das zu bewerkstelligen ist, wissen auch wieder die Deutschen am besten: nämlich durch Reeducation. Auch den Irak-Oppositionellen soll keinerlei Einfluß eingeräumt werden. Eine von irakischen Oppositionellen gebildete Übergangsregierung lehne die US-Regierung ab, hieß es Ende letzter Woche. Damit wird immer deutlicher, daß der "Befreiungskrieg" der USA den Irak nicht nur von Saddam Hussein befreien soll, sondern auch von den letzten Resten seiner bisherigen Souveränität.

Es gibt noch weitere Parallelen zur Erfahrung der Deutschen mit ihren westlichen "Befreiern": nämlich die Forderung von UN-Waffeninspekteur Hans Blix, daß der Irak seine Raketen vom Typ "Al-Samoud 2" mit allen dazugehörigen Komponenten zerstören soll. Für den Beginn der Vernichtungsaktion setzte er eine Frist bis zum 1. März. Unabhängige Experten hatten nach UNO-Angaben festgestellt, daß die Raketen die nach geltenden Resolutionen der Vereinten Nationen erlaubte Reichweite von 150 Kilometern um bis zu 33 Kilometer überschritten. Blix räumte in dem Schreiben an Bagdad ein, daß der Irak selbst die UNO über die Existenz der Al-Samoud-Raketen ebenso wie über Tests informiert hatte, die eine höhere als die erlaubte Reichweite von 150 Kilometern ergeben hatten. Die hier offensichtlich werdenden Schikanen gegen den Irak erinnern an die Auflagen des "Versailler Vertrages", mit dem Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg zum Paria herabgedrückt worden war. Kein souveräner Staat - und um eben einen solchen handelt es sich in Hinblick auf den Irak immer noch - darf so mit sich umspringen lassen.

Doch genau dies wird vom Irak erwartet: Von der Erfüllung der Blix-Forderung wollen die USA ihre Entscheidung über einen baldigen Militärschlag abhängig machen. Bereits Anfang der kommenden Woche wollen Washington und London einen abgestimmten Resolutionsentwurf in den Weltsicherheitsrat einbringen, der ihnen grünes Licht für einen Krieg zum Sturz des Regimes von Saddam Hussein geben soll. Darin soll nach den Worten von US-Außenminister Colin Powell festgestellt werden, daß der Irak die Abrüstungsresolution 1441 vom November nicht erfüllt habe. Im Wortlaut heißt es im Vorschlag: Der Sicherheitsrat solle beschließen, "daß Irak es versäumt hat, die letzte ihm in der Resolution 1441 eingeräumte Chance zu ergreifen." Die USA sehen darin eine Rechtfertigung für einen Angriff. Damit wird der bereits seit längerem bestehende Eindruck untermauert, daß es im Prinzip gleichgültig ist, was der Irak macht oder auch nicht macht: die Entscheidung zum Krieg ist in Washington längst gefallen.

US-Präsident George W. Bush beschleunigt unterdessen weiter den Prozeß. Der UN-Sicherheitsrat, so Bush auf seiner Ranch in Texas, müsse eine klare Entscheidung treffen. Auf eben dieser Ranch machte der spanische Ministerpräsident José Maria Aznar seine Aufwartung, um die "volle Solidarität" Spaniens zu bekunden. Im einem trüben Spiel spielt Aznar, der die EU seit jeher als Selbstbereicherungsinstrument zugunsten Spaniens interpretiert, eine noch trübere Rolle. Auf diese Weise trägt die Irakkrise auch zur Enttäuschung über die EU bei.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen