© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/03 07. März 2003

 
Richtlinien gegen das Aussterben
Naturschutz: Verordnungen nur mit Gesetzen erfolgreich / Ursachen des Artenrückgangs sind vielfältig
Adrian Gerloff

Auffällig werden Arten hinsichtlich ihrer Gefährdung, wenn sie in die Roten Listen der Länder und Deutschlands aufgenommen werden. Wirklich gesetzlichen Schutz erhalten sie aber erst nach Erwähnung in der Bundesartenschutzverordnung, der sogenannten "Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie" und dem Washingtoner Artenschutzabkommen. So wird der Artenschutz über den Biotop- und Flächenschutz realisierbar.

Der Schutz bestimmter Arten wurde bereits im Mittelalter praktiziert, auch wenn er nur aus dem Interesse herrührte, sie anschließend bejagen zu können. Auch heute erfolgt das Bestreben, Populationen gefährdeter Tier- und Pflanzenarten langfristig zu sichern, noch nicht konsequent genug. Es gelingt oft nur, sehr attraktive und allgemein populäre Arten gezielt zu schützen - allen voran der in vielen Staatswappen verewigte Adler. Auch andere Vögel werden - unter der Obhut großer Firmen - öffentlichkeitswirksam beachtet. Ein Beispiel dafür ist der Kranich (Logo der Lufthansa) und der Auerhahn (Symbol auf den Bierflaschen der Hasseröder Brauerei).

Arten- und Biotopschutz werden im Bundesnaturschutzgesetz näher geregelt. Dabei geht es um den Erhalt von Schlüsselarten, der genetischen Vielfalt, der natürlichen Lebensgrundlagen und der ökologischen Wertigkeit der Natur insgesamt. Flächenschutz wird als Grundlage für den wirklichen Artenschutz angesehen. Außerdem wird in dem Gesetzesteil der konkrete Schutz bedrohter Tier- und Pflanzenarten definiert der Handel mit Produkten seltener Arten festgeschrieben.

Eins der größten Probleme des Artenschutzes ist die nicht immer eindeutige Trennung zu anderen Gesetzen. Der Schutz der Arten wird ebenso durch Jagd- und Fischereigesetze gewährleistet, sofern die Arten in diesen Werken aufgenommen sind. Dies dient aber weniger den Vorgaben des Naturschutzes, sondern ausschließlich der wirtschaftlichen Nutzung dieser Arten. So werden Lachse beispielsweise über das Fischereigesetz geschützt. Dabei ist es gut, daß die oberen Bachläufe als Laichplätze und Flüsse als Lebensraum erhalten bleiben. Allerdings führt der hiesige Besatz mit schottischen oder kanadischen Lachsen zu einer Verfälschung des Genpotentials heimischer Populationen. Ein weiteres Beispiel, das die Probleme des Artenschutzes im Zusammenhang mit dem Jagdgesetz verdeutlicht, ist der Seeadler. Für diesen Vogel wurden bereits erfolgreiche Wiederansiedlungsprogramme durchgeführt. Obwohl er seit über 200 Jahren geschützt ist, wird er nicht von der Liste des jagdbaren Wildes gestrichen. Man hofft insgeheim, wenn sich die Bestände wieder erholt haben, ihn vielleicht doch wieder bejagen zu können.

Eine andere Möglichkeit des Artenschutzes ist der bereits erwähnte Lebensraumschutz. Die Ausweisung von Schutzgebieten, besonders seit Forderung nach Flora-Fauna-Habitat-Gebieten und Vogelschutzgebieten, ist diesbezüglich besonders wichtig.

Der Artenschutz hat schon Erfolge vorzuzeigen

Artenschutz kann auch durch die Neuschaffung von Lebensräumen, die Anlage von Brutkästen oder die Wiederansiedlung und Auswilderung bestimmter Arten betrieben werden. Bei letzterem sollte jedoch im Vorfeld gründlich geprüft werden, ob die zum Aussterben geführten Umstände beseitigt sind, der Standort im eigentlichen Verbreitungsgebiet liegt und die Art eine überlebensfähige Population bilden kann.

Organisationen wie der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), World Wildlife Found (WWF), Naturschutzbund (NABU) auf nationaler Ebene und internationale Verträge wie die Konventionen von Ramsar und Bonn unterstützen den Artenschutz mit finanziellen, materiellen und personellen Mitteln immens. Private Stiftungen und Firmen kommen hinzu. Erfolge für den Artenschutz sind bei Biber, Wanderfalke und Storch ersichtlich. Für Wiedehopf und Blauracke kamen die Artenschutzprogramme allerdings zu spät.

Heute werden Artenschutzprogramme oft mit hohem Aufwand betrieben. Die genetische Vielfalt der Individuen gestützter Populationen ist aber nicht immer gegeben. Lebensräume sind künstlich - entsprechen nicht den natürlichen Lebensbedingungen und werden weiterhin negativ beeinflußt. Auch sind es nicht immer die Artenschutzprogramme, welche den Artenzuwachs begründen, sondern die Anpassungsfähigkeit der Arten selbst. Der eigentliche Artenschwund wird nicht dadurch bekämpft, indem die Arten mit allen Mitteln erhalten werden, ohne dabei die Ursachen des Artenrückganges zu beheben.

Der Blick in die Zukunft ist jedoch sehr verheißungsvoll. Wenn man die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung betrachtet, so werden sich die ländlichen Räume in den nächsten 50 Jahren massiv entleeren. Es entstehen neue Lebensräume, und diese werden von ganz alleine wiederbesiedelt werden, wenn sie den Anforderungen der Arten entsprechen. Für die Wiederbesiedlung des Wolfes in Brandenburg ist dies ein Segen - auch wenn vor wenigen Wochen der einzige freilebende Wolf von einem Jäger mit einem Hund verwechselt und erschossen wurde.


 
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