© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/03 21. März 2003

 
Kanzlerdämmerung
Die Rede von Gerhard Schröder floppte vor den Augen der Nation
Paul Rosen

Der Bundeskanzler ist Opfer seines eigenen Hangs zur Theatralik geworden. Drei Wochen lang ließ Gerhard Schröder seine Rede an die Nation ankündigen. Das Fernsehen zeigte ihn Tags zuvor am Schreibtisch, wie er über dem Manuskript brütete. Doch die Werbung in eigener Sache hielt nicht, was sie versprach. Der Kanzler floppte vor den Augen der ganzen Nation. Das war alles? So sieht der Aufbruch in eine bessere Zukunft nicht aus.

Wenn man es richtig besieht, hat Schröder mit seiner Rede endgültig klargestellt, daß die gesamte Wahlkampfführung der Sozialdemokraten im Herbst letzten Jahres aus Luftschlössern bestand. Dem Volk wurde vorgegaukelt, es sei doch alles nicht so schlimm und der Aufschwung nah. Die depressiv stimmenden Reden der Opposition will der Mensch ohnehin nicht so geme hören. Jetzt sammelte Schröder die Luftballons des Wahlkampfes wieder ein - jedenfalls zum Teil. Dazu gehört zunächst der Aspekt, daß die Maastricht-Kriterien auch mit Blick auf die aktuelle außenpolitische Lage nicht mehr eingehalten werden sollen und auch nicht mehr eingehalten werden können. Schröder wischte den Stabilitätsvertrag mit einem Halbsatz beiseite. Das läßt für die Zukunft nichts Gutes ahnen. "Weiches" Geld hat die Umverteilung von unten nach oben stets nur beschleunigt. Die Ansprüche an die Sozialsysteme konnten vom Staat mit wertlosem Geld beglichen werden.

Kurzfristig gehen Schröders Pläne ebenfalls zu Lasten der einfachen Leute. Wer die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes kürzt, schickt natürlich nur denjenigen in die Sozialhilfe, der sein Leben nicht aus Rücklagen oder Kapitalerträgen bestreiten kann. Ebenso verhält es sich mit dem Krankengeld, das der Kanzler aus dem Katalog der Kassenausgaben streichen will. Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ist im Prinzip vernünftig. Doch Schröders Absicht, die arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger von der Zuständigkeit der Kommunen in die Bundesanstalt für Arbeit zu überführen, verschafft nur einer ohnehin inkompetenten Bürokratie weitere Probleme. Schröder löst mit seinen Aktivitäten keine Probleme, sondern schafft nur neue. Die groß angekündigten Investitionsprogramme mit einem Volumen von 15 Milliarden Euro werden nicht einmal die erwarteten Strohfeuereffekte haben. Die Städte und Gemeinden sind nicht mehr in der Lage, kreditfinanzierte Programme aufzustellen.

Die private Wirtschaft braucht keine Zinsverbilligungen, da die Kreditkosten ohnehin nur gering sind. Zeitgleich mit den heruntergeleierten Ankündigungen im Bundestag hatte Schröder sein Steuervergünstigungsabbaugesetz in den Bundesrat geschickt, das 40 Steuererhöhungen und Leistungskürzungen aller Art vorsieht - von der Kürzung der Eigenheimzulage bis zur Erhöhung der Dienstwagensteuer. Das versteht kein Mensch mehr: Auf der einen Seite Programme für die Konjunktur auflegen und auf der anderen Seite Steuererhöhungen planen, die die Konjunktur wieder nach unten drücken.

Die Krise in Deutschland, vermutlich die größte seit 1949, ist zum überwiegenden Teil hausgemacht. Die Ursachen liegen in der Schlußphase der Regierung Helmut Kohl, die lethargisch war - auch, weil sie im Bundesrat nichts mehr gegen die berüchtigte Blockadepolitik von Oskar Lafontaine durchsetzen konnte. Gerhard Schröder und seine rot-grüne Koalition versuchten in den ersten vier Jahren, die zaghaften Reformansätze der Bürgerlichen sogar noch zurückzudrehen. Das gelang. Mehr noch: Deutschland versank danach in eine schwere Depression. Nach der mühsam gewonnenen Wahl erhöhte Rot-Grün die Steuern weiter und würgte damit jedes Wirtschaftswachstum erst recht ab. Seit Schröders Wiederwahl im September letzten Jahres sind jeden Tag 100 Betriebe pleite gegangen, 6.000 Menschen sind an jedem Tag zusätzlich arbeitslos geworden.

Eigentlich ist Schröder jetzt gescheitert. Teile der eigenen Partei wollen sein Konzept nicht mittragen. Er hat keine Chance, sozialdemokratische oder rot-grüne Vorstellungen im Bundesrat durchzusetzen. Zu groß ist die Mehrheit von Union und FDP, nachdem die beiden Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen für die SPD verlorengingen und Wahlsiege zumindest in diesem Jahr nicht mehr in Aussicht sind. Seine Rede war zum großen Teil an die eigene Partei gerichtet. Doch wer die SPD-Fraktion während Schröders Auftritt beobachtete, konnte sehen, wie sich der Beifall in Grenzen hielt und die Genossen teilweise erstarrt waren. Es sieht nach Kanzlerdämmerung aus.

Der damalige Bundespräsident Roman Herzog hatte in einer wirklich großen Rede im Berliner Hotel Adlon einen "Ruck" verlangt, der durch Deutschland gehen müsse. Von der Rede war man noch lange begeistert, der Ruck ist bisher ausgeblieben. Leistung wird in Deutschland weiterhin bestraft. Während die Einwanderung geringqualifizierter Arbeitskräfte vergrößert werden soll, verlassen immer mehr junge Deutsche das Land. Innerhalb der letzten zehn Jahre verließen eine Million Deutsche ihre Heimat. Über die Gründe wird jedoch geschwiegen. Einer der Gründe ist aber naheliegend: Gerhard Schröder, der Kanzler mit der ruhigen Hand, liegt wie eine Bleiplatte über Deutschland.


 
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