© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/03 21. März 2003

 
Es brodelt an der Basis
CDU/CSU: Immer mehr Mitglieder kritisieren den Kurs der Parteiführung / Bundestagsfraktion bleibt trotzdem bei pro-amerikanischer Linie
Peter Freitag

Nach der Rückkehr aus Bagdad, wo sie auf Einladung des chaldäischen Patriarchen weilten, erneuerten die beiden Unionspolitiker Peter Gauweiler und Willy Wimmer ihre Kritik an der Irak-Politik der Vereinigten Staaten. Ein militärisches Eingreifen sei nicht als letztes, sondern erstes Mittel in Erwägung gezogen worden, womit sich die amerikanische Regierung über die Satzung der Vereinten Nationen hinwegsetze. Damit werde der Sinn der UN-Inspektionen in Frage gestellt, die nach Gauweilers Meinung bereits Erfolge bezüglich der Abrüstung des irakischen Regimes verbuchen könnten.

Die CSU-Basis zollt Lob und Anerkennung

In einem Interview der Fernsehsendung "Maischberger" lobte Gauweiler darüber hinaus die Haltung von Bundeskanzler Gerhard Schröder in der Irak-Debatte: "In der Frage hat Herr Schröder nicht nur recht, er hat völlig recht." Bereits seit der Klausurtagung der CSU in Wildbad Kreuth steht Gauweiler mit dieser Meinung im Widerspruch zur Führung der Union, die sich in dieser Debatte stärker an die amerikanische Position anlehnt und den Kurs der Regierung Schröder als "deutschen Sonderweg" geißelt. Gegenüber Maischberger erklärte Gauweiler außerdem, in der Irak-Frage "liegt nicht nur Angela Merkel falsch, sondern die ganze Führung der CDU/CSU". In der Bundestagsfraktion teilen offensichtlich nur wenige andere Abgeordnete die Meinung Gauweilers gegen den Kurs der Vorsitzenden Angela Merkel und der beiden Außenpolitiker Wolfgang Schäuble und Friedbert Pflüger.

Der Kamenzer Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche (CDU) beispielsweise machte in einem Schreiben an Merkel klar, daß er jeglichen "militärischen Einsatz zur Lösung des Irakkonflikts nachdrücklich ablehnt". Er werde daher keinem Antrag zustimmen, "der diesen Einsatz entweder fordert, oder ihn wissentlich, mit welcher Begründung auch immer, in Kauf nimmt". Allerdings trifft diese Position bei der Basis der Unionsparteien offensichtlich auf mehr Gegenliebe als die Position der Parteiführung. Ein Mitarbeiter von Gauweilers Bundestagsbüro sagte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, daß die Abgeordneten täglich Unmengen von Briefen und E-Post erreichten, in denen sich zustimmend zu seiner Haltung bezüglich des Irakkonflikts geäußert werde. Sowohl aus dem gegnerischen politischen Lager, als auch aus den Reihen der CSU-Basis werde Gauweiler insbesondere für seine Reise nach Bagdad Anerkennung und Lob gezollt.

CDU-Funktionäre aus den unteren Führungsebenen bestätigten gegenüber der JF, daß sich unter zahlreichen Mitgliedern in den Ortsverbänden Unmut rege. Spätestens seit dem Washington-Besuch von Merkel und Pflüger sei der Eindruck entstanden, die CDU billige ohne Wenn und Aber das Vorgehen der Amerikaner; unnötigerweise werde die Partei so als "kriegstreibende" Kraft wahrgenommen, da eine Mehrheit der Deutschen derzeit gegen die militärische Intervention am Golf ist. Zwar halten die CDU-Mitglieder an der großen Bedeutung einer guten transatlantischen Zusammenarbeit fest und kritisieren das ungeschickte Vorgehen der rot-grünen Bundesregierung, bemängeln andererseits aber am Kurs ihrer eigenen Parteiführung, daß dieser sich zu sehr an dem der Bush-Regierung anlehne. "Die Falken in Washington machen uns die wohlwollende Position gegenüber den USA nicht gerade leichter", so ein CDU-Mitglied von der Parteibasis. Und spätestens seit der Rede von Präsident Bush am Dienstag, in der er nochmals unverhohlen einen Regimewechsel in Bagdad als Hauptziel seiner Regierung deutlich machte, wird diese Schwierigkeit auch führenden Unionspolitikern bewußter. So gingen der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) und der saarländische Ministerpräsident Peter Müller auf deutliche Distanz zu Bushs neuerlicher Kriegsdrohung. Beckstein äußerte gegenüber dem ZDF: "Ich bedauere, daß die Amerikaner ohne eine Zustimmung des Weltsicherheitsrates tätig werden." Auch sie, so der bayerische Innenminister, "müssen sich an diese Einrichtung halten und dürfen nicht einseitig irgendwelche Maßnahmen durchführen". Und das CDU-Präsidiumsmitglied Müller meinte gegenüber der Rheinischen Post: "Der Krieg darf ohne Uno-Mandat nicht geführt werden. Wenn die Amerikaner das machen, brechen sie das Völkerrecht".

Erklärung der CDU/CSU-Fraktion

In einer Erklärung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird zwar bedauert, "daß der Einsatz militärischer Mittel wahrscheinlicher geworden ist", die Verantwortung dafür sucht man allerdings eher in der Uneinigkeit im Sicherheitsrat. An einer neuerlichen "Achsenbildung", die diese Uneinigkeit erzeugt habe, trage auch die Bundesregierung eine Mitschuld. Obwohl es in der Erklärung heißt, das richtige Ziel bleibe die Entwaffnung Saddam Husseins auf Basis der Resolution 1441, stellen sich Merkel und ihr Gefolge wieder kompromißlos hinter das Vorgehen der Washingtoner Regierung: "CDU und CSU unterstützen die Aufforderung an den irakischen Diktator, sein Land innerhalb von 48 Stunden zu verlassen."

 Foto: CSU-Politiker Peter Gauweiler (r.) mit Bischof Suleiman Warduni in Bagdad: Unmengen an Briefen / Angela Merkel am 24. Februar in Washington: Die CDU-Chefin steht kompromißlos hinter dem Vorgehen der US-Regierung


 
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