© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/03 28. März 2003


Kriegsberichterstattung
Abschalten und Distanz wahren
Dieter Stein

Eine Woche dauert der Krieg im Irak erst und schon setzen beim überfütterten Zuschauer im fernen Westen Ermüdungserscheinungen ein. Seit Tagen senden die Nachrichtenkanäle in Endlosschleifen die Bilder der "sauberen" Raketenangriffe auf Bagdad, die immer gleichen Abschüsse der Marschflugkörper von anonymen Kriegsschiffen und bizarre grüne Aufnahmen aus Nachtsichtgeräten. Harald Schmidt witzelte in seiner abendlichen Sendung daraufhin, nachdem er mehrere Dutzend Mal Start und Landung ein und desselben US-Jagdfliegers gesehen habe, kenne er ihn mittlerweile persönlich.

Zu einem zentralen Thema ist dieser Tage die Frage der Verläßlichkeit der Informationen geworden, die uns von Zeitungen und Fernsehen serviert werden. Es gibt nur wenige Möglichkeiten für Journalisten, unabhängig in die Frontnähe zu gelangen und unkontrolliert Informationen an ihre Redaktionen zu schleusen. Auf amerikanischer Seite werden handverlesene Berichterstatter "eingebettet" in ausgewählte Einheiten und dürfen streng reglementiert melden, was der Kriegsführung der Alliierten nicht schadet. Auf der gegnerischen Seite filtern irakische Behörden ohnehin, was ausländische Korrespondenten in Bagdad berichten. Es ist deshalb schwer, zu erfahren, was tatsächlich passiert - man muß also wie in guten alten Ostblockzeiten wieder lernen, zwischen den Zeilen zu lesen. Und da sieht der glatte High-Tech-Krieg der Amerikaner nicht mehr so sauber aus, wie von CNN gefeiert.

Da ist es geradezu erfrischend, wenn in den inflationär laufenden "Experten"-Gesprächsrunden im Fernsehen der altgediente Kriegsreporter Peter Scholl-Latour auftritt, der hartnäckig sowohl naiven Pazifisten als auch arroganten Atlantikern Salz in die Wunden streut und mit desillusionierenden Einsichten aufklärt. So schnauzte der sonst souverän vor sich hingrummelnde Scholl-Latour kürzlich den zwielichtigen Pentagon-Lobbyisten Friedbert Pflüger an, der sich offiziell "außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion" nennen darf. Ob es eigentlich noch Katholiken in seiner "christlichen Partei" gäbe, fragte Scholl-Latour unter Verweis auf den Papst den daraufhin verlegen herumstammelnden Bundestagsabgeordneten. Welches Urteil Scholl-Latour später über diesen mustergültigen Apologeten amerikanischer Vorherrschaft fällte, machte er ein paar Tage später deutlich, als er einerseits der Bild am Sonntag diktierte, es fehle der Union an außenpolitischen Köpfen und andererseits in einer neuerlichen Gesprächsrunde auf die Reminiszenz mit Pflüger zu sprechen kam und - ohne den Namen des ihm sehr wohl bekannten Mannes zu nennen - beiläufig meinte, er habe vor kurzem "einen kleinen CDU-Politiker" gefragt, ob es noch Katholiken in der Union gäbe: Eine schallende Ohrfeige für die größte Fehlbesetzung innerhalb einer hilflos herumlavierenden Opposition!

Die zensierte Berichterstattung vom Krieg soll die Zuschauer einnehmen und für die Ziele dieses Krieges mobilisieren. Die beste Haltung ist deshalb: Abschalten und innere Distanz wahren.


 
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