© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/03 28. März 2003


Das ist nicht unser Krieg
Anti-Kriegs-Proteste: Vor US-Stützpunkten demonstrieren immer mehr Deutsche gegen den Irak-Feldzug der USA
Christian Roth

Am Haupttor des US-Luftwaffenstützpunktes Spangdahlem staut sich in diesen Tag mit schöner Regelmäßigkeit der Verkehr. Es gilt Sicherheitsstufe Delta. Das bedeutet Krieg. Die Auswirkungen des amerikanischen Angriffes auf den Irak sind in der Eifel und in der Pfalz besonders spürbar.

Über Spangdahlem und Ramstein bei Kaiserslautern haben die Luftbewegungen dramatisch zugenommen. Doch es sind nicht nur die US-Flugzeuge, die den Nachschub der Truppen am Golf organisieren und die mit ihrem Lärm die Ruhe der Einwohner stören. Auch Hubschrauber und Aufklärungsflugzeuge der Bundeswehr kreisen über den Stützpunkten, um die Areale gegen Anschläge zu sichern. "Wir können nicht jedes McDonald's schützen", hat Bundesinnenminister Otto Schily unmittelbar nach Kriegsbeginn gesagt und vor "Spontan-Attentätern" gewarnt, die amerikanische Einrichtungen attackieren könnten. Davor haben die Menschen in Eifel und Pfalz besondere Angst. An den Fluglärm haben sie sich gewöhnt, die Meldungen über eine erhöhte Krebsrate im nächsten Umkreis haben sie beunruhigt. Aber seit die Bomber am Golf detonieren, werden die Militär-Basen mit Argwohn und Abscheu beobachtet. "Seitdem Spangdahlem der Kriegführung dient, fällt es uns besonders schwer, mit der Anwesenheit der Soldaten zu leben. Es ist ein mulmiges, ja fast ohnmächtiges Gefühl", sagt ein Anwohner. In der Dorfkapelle betet der Pfarrer täglich für den Frieden.

"Unsere deutschen Soldaten schützen Massenmörder"

Doch die großen Proteste blieben am Wochenende an den Drehscheiben der amerikanischen Militärbewegungen aus. In Kaiserslautern gingen nach Polizeiangaben gerade einmal rund 600 Menschen auf die Straße. Die Veranstalter sprachen zwar von 1500 Demonstranten, aber auch diese Zahl lag weit unter den Kalkulationen. "Die Leute haben vielleicht schon etwas resigniert. Der Krieg ist in dieser Region besonders greifbar. Die Szenerie hat sich von Tag zu Tag verschärft. Es war keine echte Überraschung mehr", erklärte das Veranstalterbündnis "Achse des Friedens" anschließend frustriert. Ergreifende Szenen spielten sich dagegen am Samstag in Spangdahlem ab. "Schau dir das an, mein Junge. Das sind unsere deutschen Soldaten. Die schützen die Massenmörder", rief ein Vater seinem vielleicht sechsjährigen Sohn zu und zog ihn hinaus zu den Wachsoldaten der Bundeswehr. Ein Soldat mit einer MP über der Schulter verzog keine Miene. "Wir haben die Wachposten angewiesen, daß sie lange Diskussionen vermeiden und auf Provokationen nicht reagieren sollen", hieß es in einer Mitteilung des Bundeswehr-Pressedienstes. Der Soldat vor der Militär-Basis hielt sich daran. Er blieb höflich. Auch als die Polizei zur Verstärkung anrücken mußte. Rund 50 Hartnäckige, die es auf ihren Isoliermatten eigentlich noch länger aushalten wollten, wurden gegen 20 Uhr von der Polizei weggetragen. Die Beamten mußten am vergangenen Wochenende nur einmal etwas energischer eingreifen.

Am Samstagnachmittag setzten sich einige Demonstranten "spontan" auf die Zufahrtsstraße zur Airbase, und versuchten zwei Trucks der US-Armee an der Weiterfahrt zu hindern. Doch nach einem kurzen Gerangel war der Weg für die Trucks wieder frei. Insgesamt kamen knapp 500 Menschen nach Spangdahlem, um für den Frieden zu demonstrieren. "Hinter jedem Bus(c)h steckt ein Terrorist", hieß das Motto.

Der mögliche Einmarsch der Türkei löste Protest aus

Eine Bundestagsabgeordnete der Grünen wurde auch gesichtet - ansonsten blieb der Protest wenig prominent. Die meisten Demonstrationsteilnehmer waren ohnehin aus Trier und Umgebung angereist. Die Einwohner Spangdahlems haben sich an die Proteste gewöhnt. Sie blieben zu Hause. "Die Base ist ein Teil von uns. Wenn die Uranmunition nicht hier wäre, wäre sie woanders."

"Das ist militärisches Geschäft. Und es sind unsere Arbeitsplätze", lautete die lapidare Erklärung von Ortsbürgermeister Lothar Herres, und er bemühte sich eilig hinzuzufügen, daß er "selbstverständlich auch gegen Krieg sei". Auch in anderen Städten gingen Zehntausende auf die Straße. Während in der Eifel und der Pfalz Resignation, Angst und Abgestumpftheit die Haupt-Reaktionen auf den Kriegsausbruch sind, entlud sich in weiten Teilen der Bundesrepublik die nackte Wut über die amerikanische Invasion in den Irak. Die meisten Antikriegsdemonstranten gingen in Berlin und Frankfurt auf die Straße. In der Hauptstadt versammelten sich etwa 50.000 Personen, die vom Alexanderplatz aus an der britischen und der US-Botschaft vorbei zum Brandenburger Tor zogen. Noch mehr Menschen kamen in Frankfurt zu verschiedenen Kundgebungen zusammen. Hier fand gleich fast ein Dutzend verschiedener Demonstrationen auf einmal statt. Allein anläßlich des kurdischen Neujahrsfests "Newroz" kamen rund 30.000 Menschen in die Main-Metropole. Der mögliche Einmarsch der Türkei in den Nordirak löste wütenden Protest aus.

Die größte Kundgebung vor einer amerikanischen Einrichtung fand in Heidelberg statt. Vor dem Hauptquartier der US-Landstreitkräfte demonstrierten nach Aussage der Veranstalter 80.000 Menschen. Die Teilnehmer forderten die Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder auf, dem US-Militär die bisher gewährten Überflugrechte zu entziehen. "Erst wenn die ersten Zinnsärge in Deutschland eintreffen, werdet ihr merken, daß der Krieg mitten unter uns stattfindet", rief einer der Redner in die Menge.

Am Montag wäre diese Vorhersage fast Wahrheit geworden. Am späten Vormittag kamen in Ramstein die ersten verletzten Soldaten an, die im wenige Kilometer entfernten Militärhospital Landstuhl behandelt werden. Dort ist man "wirklich auf alles vorbereitet", versicherte Pressesprecherin Marie Shaw. Auch für den Fall, daß sich Attentäter die Militärbasis von Ramstein als Ziel aussuchen sollten. Dann würde das Krankenhaus auch für deutsche Patienten geöffnet.

"Wir hoffen und beten, daß es nicht passiert. Mit der deutschen Bevölkerung haben wir kein Problem. Sie steht hinter unseren Soldaten", glaubt Shaw. Doch die gelbe Farbe auf einer Zufahrtsstraße verrät etwas anderes. "Das ist nicht unser Krieg" hat ein Demonstrant auf den Boden gepinselt.


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