© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/03 04. April 2003

 
Festival der geballten Fäuste
"Kampf gegen Rechts": In Hannover beschäftigte sich der Kongreß "Rock gegen Rechts" vor allem mit sich selbst
Manuel Ochsenreiter

Einen ganz besonderen Prozeß der Identitätsfindung des "Kampf gegen Rechts" ließ die Linke vergangenes Wochenende in Hannover über sich ergehen. Dort fand der Kongreß "Rock gegen Rechts" statt. Etwa 150 Besucher aus der Musikbranche sowie sonstige Künstler berieten sich über drei Tage zu den drängenden Fragen des Musikgeschäfts.

"Ist Rock gegen Rechts?", lautete eine der zentralen Fragestellungen der ernsten Veranstaltung. Hier sollte diskutiert werden, auf welcher Seite die Rockmusik denn steht. Während sogenannte "Poplinke" mit der These argumentieren, Rock sei an sich links, da er emanzipatorisch wirke, bauen wiederum andere auf den 68er Papst und Philosophen Herbert Marcuse, der konsequent alle "Rock gegen Rechts"-Initiativen boykottierte. Denn: "Rockmusik mit ihrem Starkult und ihrer Mythenbildung ist protofaschistisch".

Auch dem rechten Gegenprojekt, dem sogenannten "Rechtsrock", wurde auf dem Kongreß Platz eingeräumt. "Ist diese Entwicklung Resultat bewußter Strategien rechtsextremistischer Gruppen oder autonomer Reflex auf gesellschaftliche Veränderungen.

Die Akteure des Kongresses waren fast allesamt alte Hasen im "Rock Gegen Rechts"-Geschäft. Beispielsweise waren die "Brothers Keepers", eine Formation um den Mannheimer Sänger Xavier Naidoo sowie das bekannte Projekt "Kanak Attak" am Kongreß beteiligt. Vor allem die Arbeit der "Brothers Keepers" zeigt exemplarisch für die gesamte "Rock gegen Rechts"-Szenerie auf, wie fließend die Grenzen zwischen den deutschen Musikcharts und dem Straßenkampf sein können. Ihre Single "Adriano (Letzte Warnung )" erreichte Platz vier der Verkaufsranglisten.

Den Reinerlös spenden sie wiederum an Projekte, die "gerade in düsteren NPD-Käffern (...) zwischen resignierter Polizei, seitengescheitelter Dorfjugend und geschorenen Taugenichtsen" zivilgesellschaftlich arbeiten.

Um das tatsächliche Ansinnen von Formationen wie den "Brothers Keepers" und dem gesamten "Rock gegen Rechts-Geschäft zu verstehen, muß man genau hinhören. In dem genannten Lied "Adriano" heißt es an die Adresse der Rechten:

"Dies ist so was wie eine letzte Warnung / Denn unser Rückschlag ist längst in Planung / Wir fall'n dort ein, wo ihr auffallt / Gebieten eurer braunen Scheiße endlich aufhalt / Denn was ihr sucht, ist das Ende / Und was wir reichen sind geballte Fäuste und keine Hände / Euer Niedergang für immer / Und was wir hören werden, ist euer Weinen und euer Gewimmer."

"Germ" von den "Brothers Keepers" hat jedenfalls ein "irres Gefühl", wenn seine Fans noch eine Viertelstunde nach Auftritt aufgehetzt "Nazis raus" brüllen - Marcuse scheint gar nicht mal so unrecht zu haben.


 
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