© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/03 11. April 2003


Verfassungsschutz
Schock und Einschüchterung
Dieter Stein

Der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen hat in der vergangenen Woche den neunten Jahresbericht hintereinander vorgelegt, in- dem die JUNGE FREIHEIT in die Nähe des Extremismus gerückt wird. Dies ist ein sich von Jahr zu Jahr immer stärker verdichtender politischer Skandal. Seit neun Jahren versucht ein SPD-Innenministerium unter Überschreitung seiner rechtlichen Kompetenzen, eine unbequeme Wochenzeitung dadurch zu gängeln und zu diskriminieren, in dem es sie öffentlich an den Pranger des "Verfassungsschutzberichtes" stellt.

Oberflächlich scheint diese gleichsam aus dem Militärischen ins Zivilgesellschaftliche übertragene "Shock and awe"-Strategie dieses umstrittenen Innenministeriums nachzulassen. Immer häufiger erhält man von Bekannten und Lesern - die allerdings über die Rechtswidrigkeit des Düsseldorfer Vorgehens bestens informiert sind - die Empfehlung, sich gegen die Verdächtigungen nicht mehr zu wehren. Doch unterliegt derjenige einem Trugschluß, der glaubt, die öffentliche Abwertung einer Person oder einer Zeitung durch eine staatliche Institution wie den Verfassungsschutz sei bedeutungslos, einer Einrichtung nämlich, die Regierung, Parlament und Bürger vor Bestrebungen gegen Staat und die demokratische Ordnung warnen soll.

Das Gegenteil ist der Fall. Das Zitieren einer negativen "Wertung" aus einem Verfassungsschutzbericht ist wirkungsvoll, weil die Schrift schließlich von einer Behörde herausgegeben wurde. Der Verfassungsschutz wird mit dem Gewicht seiner staatlichen Autorität damit vor den Karren von politischen Kampagnen gespannt, in denen es um das Verschieben innenpolitischer Gewichte geht. In diesem Kontext läßt sich eine "Wertung" dieser Behörde phantastisch instrumentalisieren. Ein kolossales Erpressungsinstrument bei passender Gelegenheit.

Dies hat sich wenigstens schon ein bißchen herumgesprochen. So schrieb die Tagesezitung Die Welt im vergangenen Jahr von der "schwer nachvollziehbaren und offenbar parteipolitisch motivierten Einstufung der konservativen Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT durch den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz". Doch es bleibt eben immer etwas hängen.

Eckhard Fuhr schrieb einmal treffend in der FAZ, daß die "Politik der Steckbriefe, des Prangers, der gesinnungspolizeilichen Fahndung", in zunehmendem Maße das präge, "was man gerne 'politische Kultur' nennt." Damit hat er recht - und das ist sehr betrüblich.

Das Zitat Fuhrs habe ich einem umfangreichen Buch ("Stigmatisiert - Der Terror der Gutmenschen", Aton, Unna 2003) entnommen, das jüngst von Klaus J. Groth und Joachim Schäfer herausgegeben wurde. Dort werden eindringlich anhand von einem Dutzend Fällen die fatalen Wirkungen solcher Gesinnungskampagnen geschildert, die sich zu einem erheblichen Teil auf willkürliche Verdächtigungen durch den Verfassungsschutz stützen können. Es ist höchste Zeit, daß der Vergiftung der demokratischen Atmosphäre Einhalt geboten wird und wieder Freiheit und Recht Platz greifen.


 
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