© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/03 11. April 2003

 
Konservative Revolution entlarvt
Verfassungsschutz I: Wiederholt verdächtigt der NRW-Innenminister die JUNGE FREIHEIT des Extremismus / Verfassungsbeschwerde der JF in Karlsruhe schwebt
Hans-Peter Rissmann

Alljährlich im April stellt das nordrhein-westfälische Landesamt für Verfassungsschutz seinen Jahresbericht vor. Nach dem desaströsen NPD-Verbotsverfahren, das hauptsächlich an der V-Mann-Praxis der Inlandsgeheimdienste gescheitert war, ist der NRW-Ableger besonders frustriert, da einige der spektakulärsten Pannen in seinem Bereich zu verantworten waren.

Entsprechend lustlos fiel die Vorstellung aus, zog doch zusätzlich der Irak-Krieg das gesamte Medieninteresse auf sich, infolgedessen die Aufmerksamkeit für den 24stündigen "Kampf gegen Rechts" etwas erlahmt ist.

Dennoch wissen die politisch Verantwortlichen in Düsseldorf, die seit fast 40 Jahren von den Sozialdemokraten gestellt werden, daß jeder dieser Jahresberichte eine Langzeitwirkung entfaltet im Rahmen des innenpolitischen Meinungskampfes - man könnte mit dem Jargon der NRW-Schlapphüte sagen, bei der Festigung der sozialdemokratischen "kulturellen Hegemonie" in Deutschland.

Trotz Verfassungsbeschwerde wird weiter "berichtet"

Tatsächlich gibt es wenig Anhaltspunkte für den Verdacht auf Bestrebungen im NRW-Innenministerium, an der seit 1995 betriebenen Praxis der rechtswidrigen Erwähnung der Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT in einem durch einen "braunen" Rand markierten Dossier über Rechtsextremismus im Verfassungsschutzbericht etwas zu ändern.

Seit 1996 wehrt sich die JUNGE FREIHEIT in einem aufwendigen Verwaltungsstreitverfahren gegen den Düsseldorfer Koloß, um den dortigen Bürokraten die Gängelung einer unbequemen Zeitung zu untersagen. Die junge freiheit hat stets alle Verdächtigungen auf "Extremismus" von sich gewiesen und wirft dem Land NRW den Eingriff in demokratische Grundrechte vor. Seit 2001 liegt das Verfahren im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, vertreten wird die JF durch den ehemaligen Generalbundesanwalt Alexander von Stahl. Der Ausgang ist völlig offen.

Im nun vorgelegten Bericht für das Jahr 2002 erneuert das Innenministerium gebetsmühlenartig die Vorwürfe des Vorjahres. Unter der Überschrift "Ideologische Ausrichtung und Strategie" ordnet Innenminister Fritz Behrens die JF einer vom NRW-Verfassungsschutz frei erfundenen "Neuen Rechten" zu, nämlich einer angeblich "um Intellektualisierung bemühten geistigen Strömung innerhalb des Rechtsextremismus". Diese "Neue Rechte", orakelt der Bericht, vertrete "im Anschluß an die Konservative Revolution aus der Zeit der Weimarer Republik und an die in Frankreich nach den Präsidentschaftswahlen 1965 entstandene Nouvelle Droite - mit unterschiedlichen Akzentuierungen insbesondere antiliberale, antidemokratische, revisionistische und nationalistische Ideen". Hauptangriffsziele dieser "Neuen Rechten" seien "die Ideale und Ergebnisse der Epoche der Aufklärung".

Niemand hat ihn gelesen, aber jedes Jahr wird er beschwörend murmelnd zitiert: Antonio Gramsci. Nach einer von diesem italienischen Marxisten ausgebrüteten Strategie, so die Top-Spürnasen des NRW-Innenministeriums, will diese sagenumwobene "Neue Rechte" nichts weniger als eine "kulturellen Hegemonie" erreichen - um nichts weniger als "die spätere Erringung der politischen Macht anzustreben". Die JF nun sei Teil dieser Verschwörung und müsse aber "die eigentlichen politischen Ziele ... möglichst verschleiert" transportieren. Deshalb - der Leser befürchtet es - kann der Verfassungsschutz für diese atemberaubende Argumentation keine Belege anführen. Eben weil alles so supergeheim ist. Als "Deckmantel" im Rahmen ihres intellektuellen Kommandounternehmens nutze die JF "verstärkt die Bereitschaft von Persönlichkeiten des demokratischen Spektrums zu Interviews und einzelnen Textbeiträgen". Womit freundlicherweise gleich nebenbei zum Ausdruck gebracht wird, daß die JF und ihre Autoren nach Lesart der Düsseldorfer nicht zum demokratischen Spektrum zu zählen sind.

Diesen zähen, pseudowissenschaftlichen Teig rollt der Verfassungsschutzbericht mühselig über sechs Seiten aus. Dabei wird in abenteuerlicher Weise das völlig unabhängige "Institut für Staatspolitik" des Göttinger Historikers Karlheinz Weißmann als "Teil des Projektes JF" auf einer ganzen Seite abgehandelt. Schlimm ist diese Einrichtung deshalb, weil erstens Personen des Instituts in Verbindung zur JF stehen und es zweitens erklärtes Ziel des Instituts sei, "geistige Eliten" zu bilden. In der Tat höchst besorgniserregend.

NRW beklagt Leserproteste gegen Landesregierung

Dann beklagen die Düsseldorfer Verfassungsschützer in einem eigenen Kapitel eine "Kampagne gegen den NRW-Verfassungsschutz". Weil es so erschütternd ist, zitieren wir vollständig:

"In mehreren Wellen hat die JF im Jahr 2002 versucht, Leser, Sympathisanten und prominente Persönlichkeiten gegen den NRW-Verfassungsschutz zu mobilisieren. Sie startete dazu eine umfangreiche Kampagne, in der sie ihre Leser aufforderte, den 'Appell für die Pressefreiheit. Gegen die Verletzung demokratischer Grundrechte durch den NRW-Verfassungsschutz zu unterzeichnen (der inzwischen von 3.000 Menschen unterzeichnet worden ist, Anm. d. JF). Nach ihrem Scheitern im Verwaltungsstreitverfahren gegen das Land Nordrhein-Westfalen, in dem die Bewertung der JUNGEN FREIHEIT durch den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz bestätigt wurde, versucht die JF nun mit der Behauptung, ihr Grundrecht auf Pressefreiheit werde verletzt, Unterstützer auch im demokratischen Spektrum zu gewinnen. Tatsächlich jedoch hatten das Verwaltungsgericht Düsseldorf und das Oberverwaltungsgericht in Münster festgestellt, daß durch die Maßnahmen des NRW-Verfassungsschutzes weder die Meinungs- noch die Pressefreiheit verletzt werden. Gegen die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen legte die JF Verfassungsbeschwerde ein, über deren Annahme durch das Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden worden ist."

Erwähnung findet im Bericht ferner die Debatte um das von der JF geführte Interview mit dem Ex-Grünen-Politiker Jamal Karsli, das ein Auslöser der "Möllemann-Affäre" darstellte, und schließlich werden einzelnen Mitarbeitern der JF "Kontakte zu rechtsextremistischen Kreisen" nachgesagt: So wirft man dem Extremismus-Experten Hans-Helmuth Knütter von der Universität Bonn vor, er habe im Jahr 2001 bei der "Gesellschaft für Freie Publizistik" referiert. Er soll dort Geld "für Straßenkämpfe" gesammelt haben. Knütter wird ebenfalls zur Last gelegt, der Parteizeitung der rechtskonservativen Republikaner ein Interview gegeben zu haben.

JF schätzt Schaden auf eine halbe Million Euro

Dem Chefredakteur der österreichischen Wochenzeitung Zur Zeit und Autor der JF, Andreas Mölzer, wird vorgehalten, bei einer Veranstaltung der Zeitschrift Nation & Europa als Referent aufgetreten zu sein. Heinrich Lummer, ehemaliger Innensenator von Berlin, wird als Ehrenvorsitzender des Vereins "Die Deutschen Konservativen" angelastet, daß dieser Verein den Liedermacher Frank Rennicke eingeladen haben soll, was dann wiederum der JF zu Buche geschlagen wird, weil Lummer Kolumnist dieser Zeitung ist.

Dieses unappetitliche Herumschnüffeln und hilflose Suchen nach "belastendem Material" in einer politisch-kulturellen Wochenzeitung würde in einer reifen Demokratie allenfalls zum Schmunzeln anregen, hätte diese "Erwähnung" im Verfassungsschutzbericht nicht konkrete wirtschaftliche und politische Folgen für die betroffene Zeitung und ihre Autoren. Zeitschriftenhändler, Anzeigenkunden, Interviewpartner und Autoren werden regelmäßig unter exklusivem Verweis auf den Verfassungsschutz NRW unter massiven Druck gesetzt, nicht mit der JF zusammenzuarbeiten. Der Verlag der JUNGEN FREIHEIT beziffert den alljährlichen Schaden, der durch die Verdächtigungen des NRW-Verfassungsschutzes entstünde, auf etwa 500.000 Euro.

Foto: Innenminister Behrens (l.) mit FDP-Chef Westerwelle und CDU-Landeschef Rüttgers im Karneval: "Ideale der Aufklärung"

Informationen: Innenministerium Nordrhein-Westfalen, Innenminister Dr. Fritz Behrens, Haroldstraße 5, 40213 Düsseldorf, Tel. 0211/ 211-871-01, Internet: www.im.nrw.de 


 
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