© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/03 11. April 2003

 
CD: Pop
Rückmeldung
Holger Stürenburg

Über fünf Jahre hat sich der sympathische Sänger Stefan Waggershausen für ein neues Album Zeit gelassen. Mit seinen letzten Alben "Louisiana" (1995) oder "Die Rechnung kommt immer" (1997) konnte er sich in der zwischen Jugendwahn und Quotendruck oszillierenden Musikszene einfach nicht durchsetzen. Klar, daß sich da eine gewisse Resignation breit machte - und ob sich der Wahlberliner über die musikalische Vergewaltigung seines Klassikers "Das erste Mal tat's noch weh" durch "Gute-Zeiten-Schlechte-Zeiten"-Bubi Oli P. so sehr gefreut hat, mag dahingestellt bleiben...

Vor 20 Jahren war der in Friedrichshafen geborene einstige Regieassistent noch in aller Munde. Hits wie "Hallo Engel" (1980), "Früher war alles viel früher" (1981), "Und der Teufel schaut mir über die Schulter" (1982) oder "Mitten ins Herz" (1984) waren keine Schlager mehr, aber auch kein traditioneller Rock. Statt dessen: chansonartige, frankophile Balladen mit viel Bluesgefühl und sentimentalen Texten zwischen trüber Melancholie und beißender Ironie. Mit seiner geschmeidigen Stimme erzählte Waggershausen - mehr gehaucht, denn gesungen, stets lasziv und erotisch - bis ins Morbide gehende Kurzgeschichten über die dunkelsten Seiten von Großstadtnächten in Berlin, Paris, Panama oder Rom.

Häufig bat der eher verschlossen wirkende Liederschreiber bekannte internationale Sängerinnen aus Jazz, Chanson oder Folk ins Studio und spielte mit ihnen knisternde Duette ein. Diese "Duett Affairs" avancierten zu den größten Hits Waggershausens. Alle fünf dieser meist mehrsprachigen Zwiegesänge bilden die Grundlage von Waggershausens aktueller CD "Duette und Balladen", die er jenseits allen Marktzwangs im eigenen Musikverlag "Miau" veröffentlicht hat.

Da ist zum Beispiel die erotische Großstadtballade "Zu nah am Feuer", aufgenommen mit der etwas spröden Italochanteuse Alice, und Anfang 1984 in die Top 20 der deutschen Hitparaden eingestiegen. 1989/90 war die belgische New-Jazz-Lady Viktor Lazlo dran, mit der Waggershausen die eher poporientierten Songs "Das erste Mal tat's noch weh" und "Jesse" einspielte. Mit dem israelischen Ethnostar Ofra Haza folgte 1992 "Jenseits von Liebe"; das vorerst letzte Duett war das stark südamerikanisch geprägte "Bienvenido a Salomé", 1997 mit teilweise spanischem Text zusammen mit Maria Conchita Alonso eingesungen.

Auch ein paar interessante Solostücke aus den weniger erfolgreichen Jahren Waggershausens sind auf "Duette und Balladen" noch einmal zu hören. So das bitterböse, akkordeonverzierte "Liebe a.D." (1997), die unter die Haut gehende Nachtelegie "Tränen hinter Deinem Lachen" oder "Linda Paloma", eine abgeklärte und doch zutiefst romantische Abrechnung mit einer kühlen Schönheit aus dem Elfenbeinturm. Unter Waggershausens Niveau hingegen das als Kinderlied gedachte "Irgendjemand ruft nach mir", das nahe an der Grenze zur Peinlichkeit mit ähnlichen Versuchen Udo Lindenbergs oder Peter Maffays konkurriert. Kaum besser: "Solang Du jung in Deinem Herzen bist", entnommen Waggershausens eigenem Musikmärchen "Wolke 7", das er 1999/2000 schrieb und mit Kollegen wie den Prinzen, der 3. Generation, Wolfgang Fierek oder Loona interpretierte.

Dazu kommen das unschlagbare "Hallo Engel" in der Einspielung von 1991 und drei ganz aktuelle Kompositionen. Zwar ist kein neues "Nachtcafé" oder "Wenn es so sein soll" dabei - die neuen Lieder beweisen jedoch unzweifelhaft, daß Waggershausen nichts von seiner unverwechselbaren Art zu komponieren, zu texten und zu intonieren verloren hat. Als Anspieltipps sind der düstere Blues "Wintermond" und die zynische Rockballade "Heut ist nicht mein Tag" zu empfehlen.


 
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