© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/03 18. April 2003

 
". . . finde Sie reizend, aber schwierig"
Im zweiten Anlauf konnten die Briefe des Lyrikers Gottfried Benn an Astrid Claes nun doch noch erscheinen
Tobias Wimbauer

Der Verlag Klett-Cotta hatte den hier vorgestellten Band bereits vor fünf Jahren angekündigt, Druckfahnen der Edition waren an größere Zeitungen vorab versandt worden, und die ersten Besprechungen waren erschienen, als die Veröffentlichung am Einspruch der jahrelangen Geliebten Benns, Ursula Ziebarth, scheiterte. Nachdem im vergangenen Jahr die Eigenvermarktung Ziebarths erfolgt war, konnte sie gegen die nunmehr vorgelegte Edition kaum mehr etwas einwenden. Gewiß bedachte sie dabei auch ihren "Startvorteil": ihre Version der Geschichte ist in den Feuilletons ausführlich besprochen worden.

Weshalb diese Rivalität? In einigen Äußerungen Benns an Claes über Ziebarth dürfte sich die Kritisierte zurecht durchschaut gefühlt haben und konnte davon kaum erbaut gewesen sein. Benn war aufgegangen, daß Ziebarth ihn zur eigenen Ruhmmehrung nur benutzen wollte: "Sie ist intelligent, aber völlig amoralisch, sie birst vor Geltungsbedürfnis, u. keinen größeren Gefallen könnten Sie ihr tun, als sie zu beachten. Es gibt ihr gegenüber nur eins, was ich leider erst zu spät bemerkt habe: sie ausschalten und kaltstellen" und: "alles gelogen".

Der Düsseldorfer Germanist Bernd Witte hat Benns 66 Briefe an Claes ediert, kommentiert und mit einem Nachwort versehen. Im Anhang finden sich drei Gedichte und eine Erzählung von Claes.

Astrid Claes, geboren 1928, wandte sich 1951 an Benn mit der Anfrage um ein Treffen, zu dem es zunächst nicht kam. Sie bereitete ihre Dissertation "Der lyrische Sprachstil Gottfried Benns" vor und wollte ihn dazu befragen: "Ich wollte Sie auch wirklich zweimal besuchen, und einmal war ich schon in Berlin. Aber die Vorstellung, mit Papier und Bleistift vor Ihnen zu sitzen, um als Philologin "Beute zu machen", beunruhigte mich jedesmal so stark, daß ich mich zuletzt nicht entschließen konnte." Die Benn übersandte Dissertation erfreute ihn, gab ihm aber auch zu denken, "wohin soll ich mich wenden, wenn ich nun noch etwas Neues schreiben wollte, ich bin ja völlig viviseciert."

Zwei Umstände wohl führten dazu, daß sich der Briefkontakt intensiver gestaltete, als nach Abschluß der Promotion Claes' abzusehen war. Zum einen erfuhr Benn von einem Bekannten, daß Claes eine "schlanke, elegante, attraktive junge Frau" sei, was ihn natürlich interessierte. Sein Werben jedoch blieb ohne Erfolg. Zum andern hatte Claes ihm einige ihrer Gedichte übersandt, die ihn beeindruckten: "Aber nun die Hauptsache: Ihre Verse. The Raven ist schlechthin sehr gut, geradezu verblüffend. Das ist ein richtiges wunderbares Gedicht. Ich wollte, es wäre von mir." Ihre Gedichte wollte Benn zur Publikation an den Merkur weitergeben, was bezeugt, daß sein Lob ernst gemeint war und nicht nur als Kompliment diente. Auch empfahl er sie seinem Verleger, der einen Band ihrer Gedichte veröffentlichte.

Daß sie seinem Werben standhielt und auch nicht mit Kritik sparte, trug dazu bei, daß Benn schrieb: "...finde Sie sehr reizend, aber schwierig". Allerdings war ihre Kritik von großer Wertschätzung getragen; so tadelte sie Benns Gedichtband "Aprèslude", da Benn darin unter sein Niveau gegangen wäre: er sei "dem selbst aufgestellten Anspruch untreu" geworden.

Im Herbst 1954 schreibt Benn: "Liebstes Fräulein, ich muß mit einer Liebeserklärung beginnen: Sie sind das reizendste Wesen, das es überhaupt geben kann. Kein besonders aktueller Grund für diese Erklärung; ich überblicke nur Ihre Art und Ihr Wesen und Ihre Briefe in diesem Augenblicke und finde das."

Zwiststiftend war Benns Anfrage, ob Ursula Ziebarth Claes' Nachfolgerin in einem Kölner Verlag werden könne. Benn verschwieg dabei die Art seiner Beziehung zu der brieflich Gepriesenen und behauptete, sie von ihren Eltern her zu kennen. In Köln kam es dann zum Eklat, da, so die Erinnerung Ziebarths, sie Astrid Claes auf eine ihrer noch unpublizierten Erzählungen ansprach. Da Ziebarth davon nur von Benn erfahren haben konnte, war Claes ob dieses Vertrauensbruchs verletzt. Benn vermeldete Claes, "daß ich in etwas so Schlimmes und Taktloses und Verlogenes geraten war, habe ich erst jetzt u. dank der Affäre in Köln eingesehn. Ich habe meine Beziehung zu Frl Z. abgebrochen und eine Wiederkehr wird es nicht geben." - Nicht ganz, denn sie sahen sich nach kurzer Zeit schon wieder in Berlin.

Benns letzte schriftlichen Worte an Claes waren: "For ever: Gottfr. Benn". Eine lesenswerte, schöne Edition. Gut, daß sie nun doch erscheinen konnte.

Gottfried Benn: Briefe an Astrid Claes 1951-1956. Herausgegeben von Bernd Witte (Gottfried Benn. Briefe 6). Klett-Cotta, Stuttgart 2002, 157 Seiten, 19 Euro


 
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