© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/03 18. April 2003

 
Frisch gepresst

Politische Theologie. Wenn eine Aufsatzsammlung wie die von Jürgen Brokoff und Jürgen Fohrmann edierte den Titel "Politische Theologie" trägt, dann darf man wetten, daß Carl Schmitt nicht weit ist. Tatsächlich füllen Beiträge zu dessen Werk die Hälfte dieses Bandes, der in der Reihe "Studien zu Judentum und Christentum" erschienen ist und Ergebnisse einer Tagung des Sonderforschungsbereiches "Judentum-Christentum" der Universität Bonn präsentiert. Zur Erhellung von Schmitts Denken steuern die Autoren allerdings wenig Neues bei. Das gilt für Friedrich Balkes Studie, die im Titel einen vielversprechenden Vergleich Schmitts mit Spinoza verheißt, das gilt aber ebenso für Brokoffs Versuch über Schmitts Avantgardismus oder William Raschs Erkundungsversuche auf dem Feld des politischen Messianismus, der immerhin die Figur des "Katechon" in ihrer geschichtsphilosophisch nahezu widersinnigen Rätselhaftigkeit exponiert. Von Schmitt lasse man daher den Blick schweifen auf Heinrich Assel, den intimen Kenner der "Lutherrenaissance", der hier einen ausgezeichneten Überblick über die "Politische Theologie im Protestantismus 1914-1945" bietet, sowie auf Daniela Gretz' nicht ganz vergebliche Mühe, dem "ästhetischen Absolutismus" von Hofmannsthals Rede über "Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation" nachzuspüren (Politische Theologie. Formen und Funktionen im 20. Jahrhundert. Schöningh Verlag, Paderborn 2003, 155 Seiten, 22,90 Euro).

Atatürk. Durch den Irak-Krieg ist in Europa die wichtige geopolitische Lage der Türkei als politischer Katalysator zwischen Abend- und Morgenland wieder besonders deutlich geworden. Viele der vom türkischen "Übervater" und Gründer der Republik, Mustafa Kemal, nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und den harten Friedensbedingungen des Pariser Vorortes Sèvres (1923 in Lausanne modifiziert) aufgebauten Strukturen bestimmen auch nach fast achtzig Jahren wesentliche Merkmale der türkischen Politik. Der türkischstämmige Frankfurter Halil Gülbeyaz blendet in seiner Biographie allerdings auch die Verfolgung Oppositioneller in Atatürks Autokratie und vor allem die Unterdrückung und Vernichtung ethnischer Minderheiten, wie der Armenier und der auch aktuell mißtrauisch beobachteten Kurden nicht aus (Mustafa Kemal Atatürk. Vom Staatsgründer zum Mythos. Parthas Verlag, Berlin 2003, 255 Seiten, gebunden, 28 Euro).


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen