© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/03 25. April 2003


Ausverkauf der Rüstung

Die Allmacht der USA dehnt sich auch auf den Bereich der Wehrtechnik aus
Alexander Griesbach

Kriege werden aus vielerlei Gründen geführt. Hinter den hehren politischen oder auch religiösen Zielen, mit denen Kriege als "gerecht" verklärt werden, stehen freilich oft ganz andere Motive. "Greed rather than need" - "Mehr aus Gier als aus Notwendigkeit" werde nach den jüngsten Untersuchungen des Worldwatch-Institute Krieg in Ländern geführt, die zwar ressourcenstark, politisch aber rückständig seien. Die Aussicht auf ungehinderten Zugang zu Ressourcen aller Art ohne staatliche Kontrolle zieht Warlords, Kriegstreiber und westliche Geschäftemacher magisch an. Beispiele hierfür sind das Diamantenfieber in Sierra Leone und Angola oder die Geschäfte mit Edelsteinen und Bauholz in Kambodscha. Warlords haben in solchen low-intensity-Konflikten oftmals kein Interesse, ihre Kriege kurzfristig zu gewinnen, weil deren Ende zugleich ein Ende ihrer Profite bedeuten würde.

Westliche Regierungen verschließen vor dieser Art von Kriegsökonomie nur zu oft die Augen, weil sie Vorteile aus kostengünstigen Rohstoffen ziehen. Darüber hinaus fördern diese derartige Konflikte mit ihren Exportartikeln wie Waffen und Medizin. Die Gegenleistungen sind oft wertvolle Rohstoffe, die der einheimischen Bevölkerung durch die Kriegsherren geraubt werden.

Aber nicht nur in den rohstoffreichen Armenhäusern dieser Welt forciert die Ökonomie den Krieg, auch im Westen sind die Beziehungen zwischen Krieg und Ökonomie inzwischen so eng verflochten, daß Kriegführende immer häufiger im Geruch stehen, mit der vermeintlich "gerechten Sache" regelmäßig auch wirtschaftlich profitable Interessen zu verfolgen. Hier muß zum Beispiel der US-Präsidentenberater Richard Perle, einflußreiches Mitglied des "Defense Policy Board" genannt werden, der als einer der Hauptarchitekten des Irak-Krieges gilt. Seymour Hersh, einer der bekanntesten investigativen Journalisten der USA, hat vor kurzem zu belegen versucht, daß Perle dem Unternehmen Trireme Partners angehört. Dieses Unternehmen, das nach dem 11. September 2001 gegründet worden ist, wirbt um Investoren für Projekte, die in Zusammenhang mit Heimatschutz und nationaler Verteidigung stehen. Perle war über Hershs Artikel, der am 10. März dieses Jahres unter dem Titel "Lunch With The Chairman" erschien, sichtbar verstimmt. Seymour Hersh sei, erklärte Perle in ungewöhnlich scharfer Form dem US-Nachrichtensender CNN, "die engste Verbindung, die der amerikanische Journalismus mit einem Terroristen hat".

Stichwort Geschäftsinteressen: In diesem Zusammenhang muß auch die 1987 von David Rubinstein gegründete Carlyle Group mit ihrem eindrucksvollen Anlagevermögen von inzwischen über 12 Milliarden Dollar genannt werden. Seit dem Einsturz des World Trade Center laufen die Geschäfte dieses Unternehmens bestens. Die Spitze dieses global agierenden Investmentunternehmens bringt die besten Voraussetzungen mit, die Interessen von Politik und Kapital so kurzzuschließen, daß Kriege zum Konjunkturmotor schlechthin werden.

Chef von Carlyle war lange Zeit Frank Carlucci, der unter Ronald Reagan US-Verteidigungsminister war. Carlucci wird eine enge Freundschaft mit dem derzeitigen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nachgesagt. Carlucci wurde inzwischen durch den Ex-IBM-Chef Louis Gerstner abgelöst. Dessen ungeachtet hat Carlucci immer noch großen Einfluß bei Carlyle. Dem Beirat von Carlyle sitzt James Baker vor, der ehemalige Außenminister von Bush senior. Auch der frühere britische Premier John Major und selbst George Bush sen. stellen Carlyle ihre Beraterdienste zur Verfügung. Trifft also US-Präsident George W. Bush die "richtigen" Entscheidungen, klingeln bei seinem Vater die Kassen. Eine, um es vorsichtig zu sagen, höchst anrüchige Verflechtung von politischen und privaten Geschäftsinteressen. Anrüchig, aber höchst profitabel: Zwischen 1990 und 2000 sollen Carlyle-Fonds eine Rendite von im Schnitt 34 Prozent jährlich erzielt haben.

Augenscheinlich will Carlyle jetzt auch in Europa aktiv werden. So wird das Unternehmen in Kürze den Flugzeugbauer Fiat Avio übernehmen. Mit dem in Aussicht gestellten Kaufpreis von 1,6 Milliarden Euro für seine hochprofitable Tochterfirma will Fiat die angeschlagene Autosparte stärken. Scheinbar für beide Seiten ein gutes Geschäft, das aber aus europäischer Sicht Anlaß zur Sorge geben sollte. Die Firma ist nämlich auch ein wichtiger Zulieferer für europäische Militärflugzeug-Projekte. So sollen Triebwerksteile für den Eurofighter und den Truppentransporter Airbus A 400 aus Avio-Werkhallen kommen. Zudem baut die Firma Raketenantriebe für das Ariane-Programm der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA.

Der Vorstoß von Carlyle in Italien ist um so bemerkenswerter, da er der erste Akt einer US-Strategie zur Übernahme großer Teile der europäischen Rüstungsindustrie sein könnte. So gilt der Münchener Triebwerkbauer MTU Aero Engines als nächstes Ziel von Carlyle nach einer Übernahme von Fiat Avio. DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp hat bereits angekündigt, die Tochterfirma verkaufen zu wollen. Gemeinsam mit Fiat Avio arbeitet MTU an den Düsenaggregaten für den Eurofighter und den Militärtransporter A 400.

Unterdessen wächst die Zahl der europäischen Carlyle-Lobbyisten: Im November letzten Jahres wurde bekannt, daß der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski, nun zum Beraterstab zähle. Ende Januar vermeldete die US-Fondsgesellschaft, der Chef des Chipkonzerns Infineon, Ulrich Schumacher, verstärke das Beratungsgremium eines Risikokapitalfonds.

Es wäre angezeigter, wenn sich insbesondere Michael Rogowski einmal um die Belange der deutschen Rüstungsindustrie kümmern würde, anstatt Berater für eine zweifelhafte US-amerikanische Fondsgesellschaft zu spielen. Die wehrtechnische Industrie in Deutschland ist nämlich inzwischen an einem Punkt angelangt, der einigen Sparten bald das endgültige Aus bringen könnte. Experten fordern zwar, daß bestimmte Kernfähigkeiten der deutschen Wehrtechnik erhalten werden müßten. Seitens der Politik geschieht bisher aber wenig bis nichts.

Dabei steckt die Wehrtechnik in Deutschland in einer Zwickmühle: Auf der einen Seite fehlen weiterhin Aufträge zur Modernisierung der Bundeswehr. Auf der anderen Seite sieht sie sich durch rigide gesetzliche, aber auch politische Praktiken der rot-grünen Koalition beim Export von Wehrtechnik behindert. Wer von dieser Situation profitiert, liegt auf der Hand: die ausländische, vor allem aber die US-amerikanische Rüstungsindustrie. Deren Interessen fühlt sich BDI-Chef Rogowski offensichtlich mehr als deutschen verpflichtet.


 
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