© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/03 09. Mai 2003

 
Frisch gepresst

Kolonialismus. Im fünften Band der "Befunde und Berichte zur Deutschen Kolonialgeschichte" lösen sich die Beiträger von einer nabelschauenden Perspektive auf den deutschen Kolonialismus und betrachten ihn im Kontext des Imperialismus der europäischen Mächte. Diese eigentlich selbstverständliche wissenschaftliche Herangehensweise wurde in vielen Werken der letzten Jahre über die deutschen Kolonien nur kümmerlich oder gar nicht berücksichtigt. Daß in dieser Differenzierung der Chauvinismus der Kolonialmächte, der nicht nur in Deutschland teilweise "sozialdarwinistische" Elemente implementierte, keine nationale Eigenheit ausmachte, dürfte nämlich einer moralischen Selbstanklage im Wege stehen. In dieser Ausgabe der Schriftenreihe wird deutlich, daß das geschehene Unrecht einen europäischen Maßstab besaß, und dies nicht nur in Übersee, sondern auch im "Annexionismus" in Europa, dessen Auswüchse in "Preußisch-Polen" im Vergleich zu Irland oder dem Kaukasus eher harmlos waren (Wilhelm Steffan, Hrsg.: Deutscher Annexionismus und Kolonialismus im Rahmen des internationalen Imperialismus. Wuppertal 2003, 90 Seiten, brosch., 15 Euro).

Jüdische Intellektuelle. Der bundesdeutsche Zeitgeist wird in Universitätsseminaren, medialen Gesprächsrunden und Feuilletonspalten flächendeckend von "Frauenthemen" beherrscht. Damit können nur "Multikulturelles" und "NS-Vergangenheit" halbwegs konkurrieren, letzte in jüngster Zeit mit der Unterabteilung "jüdische Intellektuelle". Auf diesem Feld ist tatsächlich noch viel Forschungsarbeit zu leisten, so daß man das Erscheinen des von Ariane Huml und Monika Rappendecker edierten Bandes über "Jüdische Intellektuelle im 20. Jahrhundert" gespannt erwarten durfte. Doch nun ist die Enttäuschung groß. Positiv fällt eigentlich nur Barbara Beßlichs ideenhistorisch solide Studie über den 1933 ermordeten Geschichtsphilosophen und Kulturkritiker Theodor Lessing auf. Die anderen Beiträger haben sich schon bei der Auswahl ihrer Themen vom Zeitgeist überwältigen lassen, was bei Manuela Günters Jean-Améry-Deutung und Sigrid Weigels Vergleich zwischen Hannah Arendt und Susanne Taubes mitunter ein erträgliches Maß überschreitet (Jüdische Intellektuelle im 20. Jahrhundert. Literar- und kulturgeschichtliche Studien, Königshausen &Neumann, Würzburg 2003, 296 Seiten, 29,80 Euro).


 
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