© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/03 16. Mai 2003

 
Frische Köpfe gesucht
PDS: Die Postkommunisten versuchen einen Generationswechsel / Seit der Bundestagswahl betreibt die Partei vornehmlich Selbstzerfleischung
Paul Leonhard

Peter Porsch glaubt nicht mehr an die alte Garde. Dabei schließt der PDS-Bundesvize und sächsische Fraktionschef sich selbst mit ein. Der 58jährige aus Wien stammende Professor befürwortet einen Generationswechsel. Die jungen Genossen sollen das Heft des Handelns in die Hand nehmen. Die 35- bis 45jährigen sollen die Partei aus ihren Flügelkämpfen herausführen und ihre Politikfähigkeit wieder herstellen.

Auf ihrem Landesparteitag am vergangenen Wochenende in Weinböhla bei Dresden haben die sächsischen Genossen aber auch Führungsansprüche geäußert. Der mit rund 18.000 Mitgliedern stärkste Landesverband will künftig im Bundesvorstand "angemessen vertreten sein". Es müsse verhindert werden, daß "die Bundespartei eine rein Berliner Veranstaltung ist und die Politik in den Landesverbänden kaputt macht", sagte Porsch in einem Interview. Die Klagen an der ostdeutschen Basis über die unverständlichen Kämpfe zwischen orthodoxen Marxisten und Reformisten sind nicht mehr zu überhören. Vor allem die in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern mitregierenden Genossen fühlen sich von den alten Parteilinken im Bundesvorstand in ihrer Arbeit torpediert.

Speziell Bundesgeschäftsführer Uwe Hiksch und Vize-Parteichef Diether Dehm, die beide als ehemalige Sozialdemokraten eher mit einer PDS als außerparlamentarische Opposition als einer Partei in Regierungsverantwortung liebäugeln, haben maßgeblichen Anteil an der Demontage von Parteichefin Gabi Zimmer und der Zersplitterung der PDS in zahlreiche Plattformen und Grüppchen. Seitdem den Postkommunisten Galionsfiguren wie Gregor Gysi und Lothar Bisky abhanden gekommen sind, und sie nach den vergangenen Wahlen den Fraktionsstatus im Bundestag verloren, waren die "demokratischen Sozialisten" vor allem damit beschäftigt, sich untereinander zu zerfleischen.

Im Vorstand haben westdeutsche Altlinke das Sagen

Zwar wurde auf dem Parteitag in Gera im Oktober mit Gabi Zimmer eine Genossin an die Spitze gewählt, die eher dem Reformflügel zuzurechnen ist, aber sie gewann ihren Machtkampf mit den Stimmen der Traditionalisten. Überdies machten die Reformer ihre Drohung war und zogen sich aus dem Parteivorstand zurück - wo nun vor allem westdeutsche Altlinke das Sagen.

Über den innerparteilichen Querelen verschlief die PDS, sich rechtzeitig gegenüber der Sozialpolitik von Bundeskanzler Gerhard Schröder zu positionieren. Durch die der "Debatte über Krieg und Frieden" habe man übersehen, daß "ein Generalangriff auf die sozial Schwachen läuft" und versäumt, als "linkssozialistische Partei Alternativen in die Öffentlichkeit zu bringen", klagt der Brandenburger Fraktions- und Ex-Parteichef Lothar Bisky. Dabei hatte die PDS, auch dank ihrer Profilierung als "Antikriegspartei", gerade in Meinungsumfragen erstmals wieder die "Fünf-Prozent-Grenze" erreicht.

Gabi Zimmer zog nun die Notbremse. Mit der Ankündigung ihres Rücktritts und der Einberufung eines Sonderparteitages Ende Juni in Berlin bekommt die PDS die Chance, sich neu zu ordnen. Dabei geht es sowohl um die Neubestimmung des künftigen Kurses als auch um Personalentscheidungen. Einen Generationswechsel fordert die PDS-Bundestagsabgeordnete Petra Pau. Frische Kräfte seien notwendig, um wieder als Opposition wahrgenommen zu werden, sagt Bundesvize Porsch.

"Aufbruch mit den Visionen der 68er und 89er"

Personelle Alternativen werden vor allem unter den Landes- und Kommunalpolitikern gesucht. Zu den "neuen, unverbrauchten Gesichtern" zählt Porsch beispielsweise die 37jährige Ingrid Mattern, die seit 1994 im sächsischen Landtag sitzt. Wolfgang Methling, stellvertretender Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, wird dagegen von der Landeschefin der Sachsen-PDS, Cornelia Ernst, als neuer Parteivorsitzender favorisiert. Zwar hat Methling dieses Ansinnen prompt abgelehnt, sich aber zur Mitarbeit im Vorstand bereit erklärt.

Aber vielleicht werden für eine Übergangszeit auch noch einmal die alten Integrationsfiguren Gysi und Bisky auf die politische Bühne geholt, auch wenn das laut Porsch "zwei Schritte zurück und einen nach vorn" bedeutet. Und eine Rückkehr Gysis scheint nicht völlig ausgeschlossen: "Wenn die Umstände stimmen, bin ich bereit, wieder mehr Verantwortung zu übernehmen", verriet der Ex-PDS-Vorsitzende letzten Dienstag der Berliner Zeitung. Eine "Aufgabe als Berater oder Ideengeber" könnte er sich vorstellen. "Wenn ich wieder überzeugter von der Politik der PDS bin, als dies zuletzt der Fall war, dann werde ich mich automatisch auch wieder mehr für die Politik der Partei öffentlich engagieren", in welcher Funktion - das ließ der Politprofi Gysi bewußt offen. Ein "Parteiposten" komme zwar "nicht in Frage" - aber Bundestagskandidatur 2006 und eventuellen Fraktionsvorsitz schloß Gysi nicht aus. Als Parteichef brachte sich letzte Woche Bisky ins Gespräch - er stehe als "Übergangslösung" zur Verfügung.

Bodo Ramelow, "Westimport" und derzeit Fraktionschef im Thüringer Landtag, hofft auf einen Aufbruch, der sich "aus den Brüchen, Hoffnungen und Visionen der 68er-Bewegung im Westen und der 89er-Bewegung im Osten" speist. Schließlich habe die PDS "bereits bewiesen, daß es möglich ist, gesellschaftlich zu opponieren und gleichzeitig zu gestalten".


 
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